POLITISCHE LANDSCHAFT


Erster Ansatz

Was ist politisch ? Wie sieht man Landschaft? Und wie kommt beides zusammen? Die lockere Formation von Spielern rund um das Symposium "Politische Landschaft" hat eine Gemeinsamkeit: sie stellen sich diese drei Fragen - jeder mit einem anderen Hintergrund, jeder mit einer anderen Gewichtung im Hinblick auf "politisch" oder "Landschaft". Die Architekten b&k+, Köln, haben die Initiative ergriffen, in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl Prof. Ringleben der Bergischen Universität - Gesamthochschule Wuppertal und der Architekturzeitschrift arch+ zu einem Symposium vom 22. bis 29 September 2000 in das Museum für angewandte Kunst, Köln einzuladen.

Dabei interessiert sie zunächst, die Debatte um das Politische in ihrer eigenen Kaste wieder anzufachen, aber auch nach dem Zustand der Debatten in anderen Disziplinen zu fragen. Die Architekten - geschult seit einigen Jahren in Kollaboration mit Musikern, anderen Architektengruppen und Künstlern, versuchen dabei durch gezielte Einladungen, Leute aus ganz unterschiedlichen Bereichen als Moderatoren für die Herbstveranstaltung zu gewinnen. Leute, die sich vielleicht selbst nicht als explizit "politisch" bezeichnen würden, sondern eher daran interessiert sind, wie ihre eigenen Strategien in einem neu zu definierenden politischen Kontext gelesen werden könnten.

Ausgangspunkt des Symposiums ist in der Tat ein Spiel: ab Juli 2000 wird man sich im Netz unter der Adresse www. polar.edu einloggen und spielen können. Dem Spiel, das Anne Pascual und Markus Hauer, beide Studenten an der KHM, Köln, entwickelt haben, liegt als Spielfeld eine Landschaft zugrunde, die mit Hilfe diverser Tools ausgebaut und verändert werden kann. Die Bausteine des Spiels bestehen aus vorgegebenen Begriffsfeldern und Gedanken, die ausgewählt und plaziert werden können. Aber auch eigene Statements der Spieler können eingebracht und von Dritten wieder abgewandelt werden. So kann jeder in die Landschaft eingreifen und ihre Formationen beeinflussen. Ein Spielstand wird vor Beginn des Symposiums zum letzten erklärt, zu einem festgelegten Zeitpunkt abgerufen und eingefroren. Er wird dann in das Museum für Angewandte Kunst transponiert und visuell fixiert. Dieser Spielstand wird Grundlage und Einstiegselement in das Symposium und seine Analyse dient als Bodensatz für eine Materialakkumulation, die dann im Laufe der fünf Symposiumstage unter Mithilfe der eingeladenen Moderatoren strukturiert werden soll.

Das Museum wird Tag und Nacht geöffnet sein. Raum für Übernachtungen in seinem Innenhof in einem Zelt werden zur Verfügung gestellt und Material für die Arbeit an eigenen Ideen wird ebenfalls vorhanden sein. die Marathonstruktur soll den Weg zu einer konzentrierten Kontinuität ebnen. Ziel ist es, nicht in didaktischen Hierarchien zu operieren, sondern den Teilnehmern Werkzeuge zur Selbstversorgung in der "Politischen Landschaft" an die Hand zu geben, mit denen sie auch später weiterarbeiten können. Neben der Information, die die Teilnehmer von den Moderatoren in wechselnden Themenbereichen, in sich vielleicht überschneidenden Formationen erhalten sollen, ist eine ständige Materialisierung, bzw. Visualisierung der theoretisch eingefangenen Erkenntnisse vorgesehen. Jeder Moderator sollte mindestens ein Modell seiner Gedanken zur "Politischen Landschaft" auf seinem speziellen Terrain in die Tiefe entwickeln. Im Museum werden dann räumliche Strukturen wie Gerüste, große Pappkartons, Material für Raum und -Wandinstallationen vorgegeben sein, die den Teilnehmenden die Möglichkeit geben, ständig zwischen Theorie und Praxis hin und her zu wandern. So soll garantiert sein, daß nicht nur der Kopf benutzt wird, sondern daß mit dem ganzen Körper an den Neueinschätzungen, die sich aus dem Prozess ergeben, teilgehabt werden kann.

Um dieses Erfahrungsspektrum zu ermöglichen, ist es die Intention der Initiatoren, Moderatoren aus ganz unterschiedlichen Feldern auszuwählen und einzuladen wie z.B. der Architektur, der Musik, der Bildenden Kunst, dem Theater, dem Tanz, der Literatur, aber auch der Politologie, der neuen Medien oder der Soziologie. Die Moderatoren sollten dann im Verlauf eines Tages in einer noch zu bestimmenden Struktur nacheinander oder miteinander mit einzelnen Teilnehmergruppen arbeiten. Dabei ist es notwendig, daß sich die an der Thematik interessierten auch im Vorfeld an der schon begonnenen Auseinandersetzung über die "Politische Landschaft" einklinken, um den Fluß der Gedanken und Bilder in Gang zu setzen. Eine der Möglichkeiten des Einloggens ist das oben erwähnte Spiel im Netz, das voraussichtlich ab Mitte Juli eingerichtet sein wird, eine andere ist die Adresse polar2000@egroups.de, in die man sich einschreiben kann, um hier Bilder und Texte abzulegen, die zum Thema relevant erscheinen. desweiteren finden in unregelmäßigen Abständen Meetings statt, bei denen neben dem inhaltlichen Austausch die Struktur des Symposiums vorbereitet wird.

In den unterschiedlichen Disziplinen ist das Politische unterschiedlich gewichtet. In der Architektur ist die politische Debatte zugunsten einer strukturell-materiellen aufgegeben worden. Junge Musiker erproben sich im Netz in immer neuen Systemen der Kommerzverweigerung, ohne das explizit als politischen Aktivismus zu proklamieren. In der bildenden Kunst findet derzeit eine Polarisierung zwischen der marktimmanenten Spaßfraktion und der Enklave der Politaktivisten statt. Im Theater ist die Politisierung wieder aufgebrandet- ebenso in der Literatur. Die Heterogenität des kulturellen Geschehens ist schwer im Überblick zu beschreiben - Tendenzen lassen sich jedoch herausarbeiten.

Eingelesen in das Thema Landschaft wird diese politische Situation sowohl thematisch-theoretisch eingeschränkt als optisch-imaginativ erweitert. Der Blick wandert vom Willy Brandtschen Begriff der politischen Landschaft als Klimabeschreibung wieder zurück zum reinen Naturbezug, der natürlich über den eher formalen Ansatz des Kunsthistorikers Martin Warnke und seiner "Politischen Landschaft" - einem Abriss von der Landschaftsmalerei der letzten Jahrhunderte seit dem Mittelalter - hinausgeht. Die vernachläßigte Naturdebatte, die durch den Glaubwürdigkeitsverschleiß der grünen noch zusätzlich an Bedeutung verloren hat, ist eines der Hauptanliegen der Initiatoren, wobei das Politikum der Vernachlässigung lediglich ökologische Dimensionen bei weitem übersteigt. Daß Distanz und Künstlichkeit schon immer das menschliche Verhältnis zur Natur geprägt haben, ist ein Gemeinplatz. daß sie aber immer noch unser größter Alien ist, wird uns zwingen, die Debatte wieder aufzunehmen.