DIE DRITTE KAMMER - DIE VOLLENDETE SPECULATION
FÜHRT ZUR NATUR ZURÜCK
Baurede für die "Geheimen Gärten Rolandswerth"
Entwurf für das "Skulpturenufer Remagen",
Arp-Museum Bahnhof Rolandseck (März – Dezember 2002)



Vorstellung und Einführung

Bittermann & Duka und "Die Dritte Kammer"

Unter gemeinsamem Label arbeiten wir als Künstlerpaar seit 1995 an einem Projekt, das wir "Die Dritte Kammer" nennen. Der Garten ist darüber hinaus seit über einem Jahrzehnt unser Leitmotiv. "Die Dritte Kammer" ist ein fiktiver Ort und ein virtuelles Handlungsterrain gleichermaßen. Hier fusionieren Gestalten und Gedanken immer wieder zu Orten von vermeintlicher Realität. Die Erzeugung und Überprüfung der Wirksamkeit von Bildern, die im Gegensatz zu der die Bilder grundierenden Wirklichkeit stehen können, ist eines der Anliegen "Der Dritten Kammer". Utopische Erfindungen, deren Realitätsgehalt von Vorgriffen auf die Zukunft, aber auch Rückgriffen auf die Vergangenheit stark gedehnt wird, sind geprägt von dieser Differenz zwischen Wirklichkeit und Wirksamkeit. Eine Utopie will zunächst nicht wirklich werden, sondern eher wirksam sein. Dieser Widerspruch beschreibt einen ihrer elementaren Wesenszüge.

Der Überzeugung von der Wirkkraft der Bilder liegt der Gedanke zugrunde, daß das Bild ein Modell sein kann. Es geht uns nicht nur darum, Darstellung um ihrer selbst willen zu praktizieren, sondern die Konstruktion dessen darzustellen, was möglicherweise real werden könnte. Ein Modell ist die Voraussetzung für die Planbarkeit der Dinge, um dann diese vorweggenommene Zukunft zu verwirklichen. Es ist ein Schritt auf dem Weg zu einer veränderten Wirklichkeit. Auf diesem Weg erfüllt das Bild in seiner Modellhaftigkeit also einen Zweck und zugleich den Selbstzweck seiner autonomen Existenz. So erweitern sich die Bildfunktionen von ihrer rein autonomen Bedeutung zu einer angewandten, die vielfältig interpretierbar wird. Durch kontextuelle Bezüge und eine erweiterte Form der Diskursivität wird das autonome Bild transitorisch und somit in eine historisch neue Kategorie des Bildneri-schen überführt.

Die Wiederentdeckung des "Hentzenparks" und die Einladung zum
"Skulpturenufer Remagen" durch das Arp Museum Bahnhof Rolandseck

Dieser transitorische Bildbegriff war Auslöser für den Leiter und die Kuratorin (Raimund Stecker und Jutta Mattern) des Arp Museums Bahnhof Rolandseck, uns zur Entwicklung eines Entwurfs zur Verwandlung des "Hentzenparks" in ein Kunstprojekt aufzufordern. Der "Hentzenpark" war ihnen von den zuständigen Behörden als ein Aktionsfeld für das "Skulpturenufer Remagen" angeboten worden, weil er auch auf Wunsch der Bevölkerung als betretbarer Park wiederbelebt werden soll. Nach dem Abriss der vielbespielten Villa war der "Hentzenpark" fast 30 Jahre lang eine verurwaldete Brache und wilde Müllkippe. Dann wurde sein Unterholz gerodet, und jetzt bietet dieser Zustand die ideale Ausgangssituation für einen neuen Gartenentwurf.

Ausgehend von der abstrakten Vorstellung des Gartens als rhetorischer Landschaft wird der "Hentzenpark" für uns aus diesem Grund zum Ausgangspunkt einer bildnerischen und sprachlichen Auseinandersetzung, die ihn zum "Vorbild" für die Darstellung einer möglichen Veränderung des realen Parks im "Bild" macht. Dieses "Bild" soll dann selbst zum "Vorbild" für die Umsetzung der realen "Geheimen Gärten Rolandswerth" werden - wie wir das Gelände nach seiner Fertigstellung nennen möchten.

Aber das "Bild", das wir als Hauptarbeit für die Präsentation des Gesamtentwurfs entwickelt haben, erfüllt nicht nur die Funktion des "Vorbilds" für einen möglichen Garten, worin sich das Transitorische unseres Bildbegriffs ausdrückt, sondern auch seine Funktionslosigkeit als autonomes Kunstwerk. Man könnte das "Bild" so entkoppelt von allen Bezügen auch als "unendliches Nachbild" bezeichnen. Das "unendliche Nachbild" wird niemals zuende gedacht, weil es alle Formen des "Vorbilds" und "Nachbilds" unauflöslich im "Bild" vereint. Daher ist das dargestellte Naturstück auch losgelöst vom objektiven botanischen Zustand des "Hentzenparks" oder des späteren "Geheimen Gartens Rolandswerth" und könnte an vielen Orten in unseren Breiten zu finden sein. Auf dem "Bild" ist also die Essenz von "Ort" und "Nicht-Ort" zugleich abgebildet.


Die Dritte Kammer - Die vollendete Speculation führt zur Natur zurück*

Computer Aided Gardening

Den Prinzipien der Aufklärung mit ihren rationalistischen Vorgaben verhaftet entwickelt die ästhetische Moderne seit ihrer Entstehung verstärkt naturabgewandte Konstrukte, da sie zu einem Zeitpunkt einsetzt, als Autonomie und die Freiheit des Subjekts zu neuen Leitgedanken werden. Das führt zu einer immer intensiver werdenden Auseinandersetzung mit den Selbstbezüglichkeiten der künstlerischen Medien und des ästhetischen Materials. Der Prozess der progressiven Naturentfremdung durchzieht fast das ganze 20. Jahrhundert auf allen Ebenen und das industrielle Subjekt, das aus diesem Prozess hervorgeht, weist immer stärker (selbst)-zerstörerische Züge auf. Die Trennungen, die in allen Bereichen vollzogen werden, betreffen auch den menschlichen Körper, der als sinnliches Wahrnehmungsorgan eigentlich Teil der Natur ist. Der Mensch begibt sich seit Beginn der Neuzeit immer mehr in den Widerspruch, sich einerseits selbst mit seinen geistigen Konstruktionen absolut zu setzen und sich andererseits in seiner globalen Massenvernutzung von Natur an den Rand seiner Existenz zu treiben. Erst die Einführung des ökologischen Diskurses und seiner Kritik an der alles besetzenden Anthropozentrik und der gleichzeitigen Missachtung der Natur ermög-licht eine Relativierung dieser Extreme. Die Ökologie mit ihren Vorstellungen von Schonung, Schutz und Ausgleich greift wieder auf romantische Ideale zurück. Aus ästhetischer Sicht jedoch hat sich die Ökologie so sehr den Alternativbewegungen angepaßt, dass sie bis Mitte der 90iger Jahre mit wenigen wichtigen Ausnahmen noch keine eigenständige künstlerische Sprache sprechen kann. Aus ideologischen Gründen wird die Frage nach der Ästhetik in Bezug auf die Erscheinung von Natur aus Angst vor "Behübschung" und wegen der moralisch vordringlicheren Aufgabe des "Naturschutzes" meist vehement abgelehnt. Seit einigen Jahren jedoch entsteht in der Kunstwelt ein neuer Diskurs jenseits von Land Art und Land-schaftsplanung, der ökologische Inhalte genauso reflektiert wie er die Natur im allgemeinen, den Garten und die Pflanzen im besonderen als künstlerisches Medium verwendet, der sich der vormodernen Traditionen der Gartenkunst wieder bewußter wird und für die aktuelle Situation neue Formen sucht. Entstanden aus den Kontextverschiebungen der 90iger Jahre führte die Auseinandersetzung mit dem Garten zu neuen Denkmodellen und ästhetischen Ansätzen, die davor aus ideologischen Gründen undenkbar waren.

Unsere eigene Position in dieser Entwicklung entstand und entsteht aus der Suche nach neuen Möglichkeiten, bildnerische Lösungen zu finden, die inhaltlich relevanter sein sollten, als die abstrakte Befragung des malerischen Materials. Genau deshalb untersuchen wir in unserem gemeinsamen Projekt "Die Dritte Kammer" als Maler Kategorien des "Ausser-Bildnerischen", um daraus Rückschlüsse auf die Malerei und das Bildnerische im digitalen 3-D-Raum zu ziehen. Einer dieser ausserbildnerischen Bereiche ist der Garten. In diesem Kontext sind unsere Bilder immer mehr zu Modellen für zukünftige Ereignisse geworden - zunächst rein fiktiv und dann Stück für Stück in Bewegung auf die Realität zu. Wir gehen also seit vielen Jahren auf den Garten zu, ohne die Bilder zugunsten des Ortes aufgeben zu wollen. Wir sehen in beiden Welten – dem Ort "Garten" und dem Ort "Bild" - eine sich ständig erneuernde Wechselbeziehung, wo das eine Medium vom anderen profitiern kann. Ähnlich der romatischen Theorie von der Versöhnung der Gegensätze im Analogon, versuchen wir die ideologischen Festschreibungen des Mediums "Malerei" und des konzeptuellen Vorgehens der "Kontextkunst" aufzulösen und diese feindlichen Lager mit den Mitteln eines transitorischen Bildbegriffs zu versöhnen.

Eine wichtige Entdeckung in diesem Kontext ist der Rechner als Mittler zwischen den Fronten. Eigentlich ein Organ der Naturentfremdung par excellence aufgrund seiner technologisch fortschrittsbesessenen Implikationen, die den Menschen im Laufe der Entwicklung immer konsequenter von seinem Körper abgetrennt haben und weiter abtrennen werden, setzen wir ihn als Werkzeug für ein neu zu definierendes "Computer Aided Gardening" ein. Wir machen den dialektischen Schritt, uns mit den mathematischen Konstruktionen des Rechners zunächst von der Natur wegzubewegen, um dann mit Hilfe der rechnergenerierten Bilder als Modelle für zukünftige Gärten wieder aktiv auf den Garten zuzugehen. Unser Sehnsuchtsweg auf den Garten zu ist geprägt von diesen Schleifen der Annäherung und des Distanz-nehmens, die den bildnerischen Prozess begleiten.

Um die Glaubwürdigkeit der dargestellten zukünftigen Realität zu erhöhen, mußten wir uns intensiv mit der Darstellung von Pflanzen im digitalen 3-D-Raum und dem Texturieren von architektonischen Konstruktionen beschäftigen. Dieser neue Einsatz alter Malerei-Kenntnisse ist eine große bildnerische Herausforderung – zumal wenn man die Funktionen des Bildes und die Grenzen der Autonomie immer wieder von unterschiedlichen Seiten her zur Diskussion stellt – wie wir das seit Jahren tun. Nichtsdestotrotz kann man sagen, daß die Malerei alle historischen Entwicklungen des Sehens mit den ihr eigenen Mitteln beantwortet hat. Für uns bedeutet das heute die neue und an manchen Stellen durchaus überraschende Erfahrung, am Rechner in mehreren Kanälen gleichzeitig mit plastischen Texturen auf plastischen Körpern zu malen. Diese Erfahrung verhilft dem Phänomen des Malerischen zu einer weitreichenden Neudefinition.

Diese Situation, daß dem Bild die Entwurfsfunktion einer möglichen Realität – wie in diesem Fall dem Park von Rolandswerth - zugewiesen wird, hatten wir jahrelang schon auf fiktiver Ebene in Malerei-Ausstellungen durchgespielt. Jetzt aber geht es das erste Mal um die mögliche Realisierung dessen, was wir darstellen. Das Bild wird zum Teil eines Gesamtgestaltungsprozesses, in dem es eine transitorische Rolle spielt: als Mittler zwischen den Realitäten, den vorhandenen und den möglichen.

Das Bild ist das Modell für den Garten als "Ort der Handlung"

Den Garten sehen wir als rethorische Landschaft, die sowohl ein gestaltetes, an der Natur orientiertes bildliches oder textliches Fragment sein kann als auch ein Ort für dreidimensionale Denkmodelle - ein "begehbares Bild ". Und natürlich ist er ein sozialer Kommunikationsraum, wenn wir ihn auch eher auf seine kontemplativen Möglichkeiten hin untersuchen und bearbeiten. Unser Anliegen ist es, einen Garten als Projektionsfläche für künstlerische Ideen vorstellbar zu machen: Ein Bild entsteht, das durch die Glaubwürdigkeit seiner Erscheinung so überzeugt, daß man meint, es nicht nur mit den Augen und dem Geist, sondern mit dem ganzen Körper begehen zu können. Es sollte vom in der Natur verankerten Vorbild zum mit seinen Erscheinungen in die mögliche Realität eines neuen Gartens weit hineinreichenden Bild werden, das sich dann entweder in Form des neugestalteten Gartens tatsächlich manifestiert oder in seiner fiktiven Existenz auf geistiger und retinaler Ebene weiterwirkt. Uns interessiert der Garten sowohl mit seinen darstellungstechnischen Implikationen als auch mit seinen handlunsgorientierten Optionen. Immer schreiten wir Wege ab, die auf Achsen verlaufen, deren weitauseinanderliegende Enden wir versuchen, miteinander in Verbindung zu setzen: vom künstlerischen Werk zur prozesshaften Entwicklung gartenbezogener Projekte, vom autonomen Bildbegriff zur Neudefinition verschiedenster Bildfunktionen (als Gartenentwurf oder als Werkzeug des Gärtners), von rein fiktiven Erfindungen gärtnerischen Geschehens hin zu Realisierungen auf wirklichem Gartenboden. Darstellen von und Handeln mit Pflanzen bedeutet für uns keinen ideologischen Widerspruch, den es zu überwinden gälte. Das Denken im Garten setzt einen konzeptuellen künstlerischen Ansatz voraus, dessen ästhetische Implikationen für uns aber nicht den Verzicht auf ausgeprägte retinale Qualitäten bedeuten. Das Bild ist das Modell für den Garten als "Ort der Handlung".

Der Garten als Integrationsmodell

Wie "Grün" im klassischen Farbenkreis eine vermittelnde (und keine primäre) Rolle spielen kann, so ist die Suche nach Ausgleich, nach Versöhnung von Gegensätzen historisch gesehen die Essenz eines frühromantischen Zuges, der auch unser Werk durchzieht. So haben wir uns entschieden, den Hentzenpark in Rolandswerth zur Projektionsfläche für eine essentielle Aussage gegen "die Verdunkelung der Idee der Ganzheit" zu machen. Mit dem Satz aus Novalis' "Allgemeinem Brouillon" von 1798: "Die vollendete Speculation führt zur Natur zurück" ergreifen wir einen Aphorismus, der als Denkfigur dem Park neben seinen historisch vielschichtigen Bedeutungskategorien ein übergeordnetes Prinzip zuweist. Der Satz wird in drei Teile geteilt: Der erste Teil "Die vollendete Speculation" - Speculation mit "c" geschrieben heißt hier = das reine Denken jenseits von Erfahrung, der reine Erkenntnisprozess, Wissenschaft, aber auch Philosophie - wird zum Schriftzug auf dem neuen Haupttor, das nun durch diese Worte hindurch zum Betreten des Parks einlädt. Der zweite Teil des Satzes "führt" ist in das Bild eines Pflanzen-Turmes implantiert und läßt sich nur durch die die Buchstaben überwuchernden Pflanzen hindurch lesen. Von der Pflege des Gärtners hängt ab, wie lesbar das Wort "führt" gehalten wird. Das Gleichgewicht zwischen Kultur (= Architektur des Wortturms) und Natur (= Pflanzen als künstlerisches Material, die selbständig Formen erzeugen) ist hier entscheidend und der Gärtner wird zum Mittler zwischen diesen beiden Welten. Zuletzt steht der dritte Teil des Satzes "zur Natur zurück" in Spiegelschrift auf dem Gitter über dem rückwärtigen Aufgang, der rekonstruiert werden soll, sodaß der Text nur von ausserhalb des Parks, vom Leinpfad und Campingplatz aus, zu lesen sein wird und den Park damit gedanklich umfasst.

Die Unterwerfung der Natur als eines durch Chaos und Willkür zur Unmündigkeit degradierten Objekts unter den menschlichen Geist in all seinem Glanz rationalistischer Strenge ist ein Verfahren der neuzeitlichen Naturwissenschaft seit Francis Bacon im 16. Jahrhundert. Novalis setzt dem Modell der Herrschaft das Modell der Analogie gegenüber, in dem Rationalismus und Natur sich wechselseitig symbolisieren und repräsentieren sollen. Wir haben es hier also nicht mit einem irrationalen Gegenkonzept zur Wissenschaft zu tun, sondern mit dem Versuch einer Integration der naturwissenschaftlichen Methoden in die romantische Natur-philosophie. Die Erkenntnisformen der Naturwissenschaften erscheinen als verdichtete Symbolisierungen und somit als analoge Strukturen zu den organischen Formen, die sie beschreiben. Dieses Ganzwerden in ihr, das "Complettieren" der Natur, und nicht das Zäsierende, Trennende der naturwissenschaftlichen Methode, (die von der Natur wegführt, weil sie ihr in einer völlig unverbundenen Subjekt-Objekt-Beziehung gegenübersteht) ist das eigentliche Ziel dieser Erkenntnistheorie. Und in diesem Zusammenhang ist auch der von uns gewählte Aphorismus zu sehen. Er bündelt sozusagen Novalis‘ gesamten theoretischen Ansatz und macht gleichzeitig klar, dass in ihm eine Utopie verborgen liegt, die zwar nie erreicht wird, die aber auf dem Weg auf sie zu wirksam wird. Es handelt sich hier nicht um ein nostalgisches "Zurück zur Natur" im Sinne von Rousseaus Naturbegriff als einem Urzustand, als einer durch den Zivilisationsprozess verlorengegangenen Unschuld, die es wiederzuerlagen gilt, sondern um eine konstitutive Verschmelzung von divers interpretierbaren Gegensatzpaaren. Novalis' Ausweg aus dem Dilemma des Denkens in Gegensätzen von Vernunft und Glauben, von Materie und Geist, Reflexion und Gefühl, von Analyse und Synthese - um nur einige zu nennen - ist das Denken in begrifflichen und bildhaften Entsprechungen. Das Zurückholen von Kunst, Sprache und Wissenschaft in den Kontext der analogen Naturphilosophie als Akt der Versöhnung mit der Natur ist Ausdruck dieses integrativen Modells.

Der Brachland Bestellende

Das Wissen Novalis' um den hypothetischen Charakter aller menschlichen Erkenntnisformen führt ihn zu der Entscheidung, Illusion, Fiktion und Annahme als Teile des Verfahrens der romantischen Analogietheorie einzuführen. Ebenso wird die romantische Hervorhebung der Wichtigkeit von Phantasie Bestandteil dieses Verfahrens und die Sätze :" Alle Synthese ...fängt mit Illusion an. .... Mit dem Irrthum mach' ich Wahrheit..." stehen als Bindeglieder zwischen Vernunft und Glauben. Der Weg in die Welt der Entsprechungen führt uns daher mitten in das künstlerische Feld: ein gegenseitiges sich Erreichen in der Analogie. Das bis dahin in der Kunst geforderte "imitatio naturae" wird zugunsten der Erkenntnis überschrit-ten, dass die Natur als Schöpferin selbst dem Künstler zum Vorbild für seinen Schaffensprozess werden sollte. Novalis' Suche nach Versöhnung von Wissenschaft und Natur mit den Mitteln der Kunst bestimmt im Kern all seine Bestrebungen. Sein immer wieder anvisiertes Projekt, die sichtbare Welt der Wissenschaft (sein Ausgangspunkt: die Mineralogie) mit der unsichtbaren Welt der Dichtung in einem Werk zu vereinen, bleibt allerdings ein unverwirklichter Wunsch, da ihm die Zeit fehlt, jenseits von einigen dichterischen und theoretischen Schriften seinen Gedanken und inneren Bildern Ausdruck zu verleihen. Diesem Umstand seines kurzen Lebens (er wird nur 28 Jahre alt) ist es zuzuschreiben, daß er in späteren Jahren oft als reaktionär missinterpretiert wird. Einige seiner vermeintlichen Nachläufer schreiben seine fragmentarischen Texte teilweise einfach weiter und missbrauchen sie für ihre restaurativen politischen Zwecke. Seine beiden einzigen Romanfragmente jedoch stellen die ersten authentischen Schriften von grossem Einfluss auf die frühromantische Bewegung dar, die in ihren Anfängen noch durchaus revolutionäre Züge aufweist. Nicht ohne Grund gibt sich Friedrich von Hardenberg das missionarische Pseudonym "Novalis", was soviel bedeutet wie "der Neuland oder Brachland Bestellende". Unsystematisch und ungebunden sollen sich seine eigenen Gedanken in Form von bewußt fragmentarisch aufgezeichneten kühnen Kombinationen und unerwarteten Hypothesen geistiges Neuland erschliessen.

Der enigmatische Zugang zum Garten

Die Frühromantik ist geprägt von der Suche nach authentischen Erfahrungen, bei denen alle menschlichen Instanzen angeprochen sind: Körper und Geist, Gefühl und Verstand gleichermassen. In einem Zeitsprung zurück ins Mittelalter vermeint man diese Eigentlichkeit zu entdecken, im tapferen, frommen Leben der Ritter, in einsamen Burgen auf schroffen Felsen hoch über blühenden Landschaften und in der strengen Form der Minne. Das Bild ist verklärt und die für damalige Verhältnisse "dunkle Zeit" wird zur Projektionsfläche für idealisierte Bilder eines "Goldenen Zeitalters" - was aus heutiger Sicht naiv anmutet. Trotzdem ist aus dieser Sehnsucht nach Ferne und Versunkenheit heraus zu erklären, warum der Rhein mit seinen Burgruinen ein willkommener Katalysator für die Herstellung dieser so beliebten Bildmotive ist. Die Kirchen-oder Burgruine ist schon in der romantischen Phase des Englischen Landschaftsgartens ab Mitte des 18. Jahrhunderts als Metapher des Siegs der Natur über die Kultur ein beliebtes Motiv und als melancholischer Stimmungsmanipulator gerne eingesetzt. Am Rhein sind diese Ruinen echt und das idealisierte Bild einer edlen Vergangenheit in einer wilden Landchaft scheint sich hier nicht nur später in der romantischen Landschaftsmalerei zu erfüllen: Die erste Rhein-Lyrik entsteht ebenfalls unter diesen Vorzeichen, und die Überhöhung der Rheinlandschaft zum dichterischen Motiv fällt in Novalis' Lebenszeit und Lebenswerk. Das Örtchen Rolandswerth stellt also mit seiner Legende vom "Ritter Roland", dem "Rolandsbogen" sowie dem "Drachenfels" und der Insel "Nonnenwerth" in seiner Nähe ein durch und durch romantisches Motiv dar, auf das im mittendrin gelegenen Park thematisch zu verweisen, augenfällig scheint.

Die Sehnsucht nach einer idealen Welt drückt sich ebenfalls im Phänomen des Geheimnisses aus. Das Verborgene, das unterirdisch wirkt, das Märchen, das in Metaphern belehrt, die unsichtbare Welt der Erkenntnisse finden ihre Entsprechung im Rätsel. Auch hier gibt es wieder eine Beziehung zum Englischen Landschaftsgarten, der mit Rätselaufgaben den Besucher auf den "richtigen" oder aber auch "falschen" Weg zu lotsen versucht - und für den jeweiligen Fall eigene Erkenntnisse bereit hält. Heute finden wir diese Rätsel und ihre pittoreske Inszenierung in Computerspielen wieder. Die Verbindung von all dem wenden wir auf den Park in Rolandswerth an: Ihm einen Text einzuschreiben, löst ihn aus seinem historischen Kontext eines diversen Ge-und Missbrauchs heraus und versetzt ihn in einen künstlerischen Bedeutungszusammenhang, der eine Zäsur darstellt. Das Parkgelände wird durchgearbeitet, seine Geschichte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der neue Plan jedoch überschreibt völlig seine bisherige Spezifik. Das integrative Moment von Novalis' Naturphilosophie wird methodisch angewandt: Dem Park werden verschiedene site-spezifische, symbolische Bedeutungen zugewiesen. Damit wird die Chance ergriffen, ihn in einem übergeordneten geistigen Zusammenhang neu zu lesen - und das mit Hilfe aller Sinne, die notwendig im Einsatz sind, um das ganze Areal zu erspüren.

Entscheidend für die Lesbarkeit und das Verständnis des Satzes "Die vollendete Speculation führt zur Natur zurück" ist die Einhaltung eines vorgegebenen Weges. Vom Haupttor zum Turm, um ihn herum und zurück in Richtung Rhein, führt dieser Weg über die Treppe hinaus auf den Leinpfad und mit einem lesenden Blick zurück links um den Garten herum und von hinten zum Gewächshaus, das als befestigte Ruine zum musealen Standort wird. Es ist das letzte noch stehende Gebäude der alten Ära und erhält als dieses seine Funktion als Bewahrer der Geschichte des "Hentzenparks". Hier wird diese Geschichte in von uns aufgezeichneten Anekdoten auf einer Tafel konserviert und die dadurch freiwerdende Energie einem neuen Bedeutungsabschnitt des Parks zugeführt. Eine zweite Tafel im vorderen Raum des Gewächshauses verweist wie eine Art Spielanleitung auf die neue Nutzung des Parks, der jetzt "Geheime Gärten Rolandswerth" heißt. Verläßt man danach das Gewächshaus wieder, sollte man den Park in einem zweiten Parcour als reines Naturerlebnis ohne das "Rauschen des Diskurses" in sich aufnehmen – ganz im Sinne von Novalis. Geht man den Weg direkt durch den Park vom Haupttor zur Hintertreppe, erschliesst sich die Bedeutung des Satzes natürlich nicht, da die "Führung" fehlt. Und geht man den Weg vom Gewächshaus am Turm vorbei zur unteren Treppe, so fehlt "die vollendete Speculation" als die Voraussetzung "zur Natur zurück" zu finden. Das heißt, die Aufgabe besteht darin, den richtigen Weg zu finden, um den Text vollständig zu lesen. Andernfalls bleibt die Naturerfahrung unreflektiert im Sinne der Parkidee und im Sinne von Novalis' Zukunftsperspektive, dass der Mensch aus einem wechselseitigen Denken und Erleben von Natur eine höhere Erkenntnis von ihr und sich selbst erlangen könne.

Implantate

In Hirschfelds "Theorie der Gartenkunst", in der er als Philosoph über Gärten spricht, findet sich die Beschreibung eines Romantischen Gartens von 1779 und er fordert: "Wo romantische Gärten erscheinen sollen, da muß die Natur die Anlage ganz vorbereitet haben; alle Nachahmungen der Kunst würden sich hier nur in lächerliche Spielwerke endigen." Genau dieser Zustand des von der Natur Vorbereitetseins der Parkanlage von Rolandswerth lässt sie so geeignet erscheinen, den ihr inhärenten romantischen Zug sowohl, was den Genius Loci anbelangt als auch das historische Umfeld, zum Vorschein zu bringen. Die Pflanzen sollen bis auf die Gewährleistung der Lesbarkeit des in den Park eingeschriebenen Textes ganz die Führung übernehmen, wenn auch sanfte gärtnerische Eingriffe ein völliges Zuwuchern des Geländes verhindern müssen. Der zentrale künstlerische Eingriff in Form des Pflanzen-Turmes, dessen rechnererzeugte Darstellung als symbolhaft aufgeladenes Landschaftsbild mit vermeintlicher Ruinenmetaphorik angelegt ist, ist von uns durchaus nicht als Ruine gemeint, sondern als Beton-Architektur, die Pflanzen und auch Tieren einen symbolischen Ort zur Besiedelung anbietet. Im Gegensatz zu der vormodernen Vorstellung aus dem Englischen Landschaftsgarten, die die überwucherte Ruine als Melancholie erzeugendes Vanitassymbol interpretiert, sehen wir in dem Pflanzen-Turm einen Ort, der eine erwünschte Koexistenz von Architektur und Natur darstellt. Der Turm ist kein Verlassenheit und Verfall symbolisiernder Point de Vue, um irgendeine Vergangenheit zu verklären (der Vergangenheit dieses Parks wird nur in dokumentarischer, sprachlicher Form Ausdruck verliehen), sondern ein Betongebilde, dessen Aussenwand Pflanzen und Tieren in Nischen und auf Balkonen Platz bietet für Implantationen. Ein gegenseitiges sich Bedingen von Natur und Kultur ist die Voraussetzung für dieses sich ständig in seiner Aussen-Kontur verschiebende Werk. Hier kann Natur zu künstlerischem Material werden, sobald sie sich auf dem Turm niederlässt: Efeu vom Boden her, Flugsamen aus der Luft. Es entsteht ein künstliches Biotop, das durch sein wachstumsbedingtes Formgeben zur ästhetischen Interpretation des vorgegebenen Wortes "führt" wird. Jenseits dieser "unfreiwilligen" ästhetischen und inhaltlichen Funktion bleiben die Pflanzen jedoch in einer autonomen Sphäre und genügen sich selbst. Die gärtnerische Pflege des Pflanzen-Turms sollte sich auf ein Freihalten der Buchstaben beschränken, sodaß sie gerade noch lesbar erscheinen, und eine völlige Sprengung des Betons durch zielgerichteten Beschnitt verhindern.

Wichtig erscheint uns, den Park in seiner schon vorhandenen Schönheit erfahrbar zu machen. Das Aufstellen des Turmes ist nicht so sehr als skulpturale Setzung gemeint (was es natürlich auch ist), sondern eher als die Einführung eines Generators für die Intensivierung des Blicks auf die Schönheit der Anlage - wie eine Art Sender, der Wellen der Erkenntnis an bereite Empfänger ausstrahlt. Die Schönheit sollte nicht nur als Dekor empfunden werden, sondern als eine geistig-sinnliche Nahrung, von der wir abhängen, wie von realer Nahrung oder von ausreichend Schlaf - also als elemtare menschliche Erfahrung im Anderen, Nicht-menschlichen. Das eingeschriebene Rätsel scheint darin wie ein Leitfaden auf, der die Aufmerksamkeit lenkt und von der Zerstörung des Ortes abhält: Sinn als Schutz vor Missbrauch!


Der "Hentzenpark" -
Eine Rekonstruktion seiner Geschichte in anekdotischen Einzelbildern

Geoprofiling

Eingebettet zwischen das Flußbett des Rheins mit seinen Auen und den vulkanischen Eifelausläufer Rodderberg grenzt an den "Hentzenpark" im Norden der Bonner Stadtteil Mehlem mit seiner "Genienaue" und im Süden der Remagener Ortsteil Rolandswerth. Wir befinden uns hier im unteren Mittelrheintal, wo der Rhein das Rheinische Schiefergebirge durchbricht, um sich an der Rolandswerther Pforte in den Bonn-Mehlemer Vorhof der Niederrheinischen Tieflandbucht zu ergießen. Der Fluß ist auf der Höhe des "Hentzenparks" circa 900 Meter breit und wird von den beiden Inseln Nonnenwerth und Grafenwerth geteilt. Er liegt ganz in der Nähe der Landesgrenze zwischen Rheinlandpfalz und Nord-Rhein-Westfalen.

Die Bodenverhältnisse des Gebietes des "Hentzenparks" werden im Landschaftsplan der Stadt Remagen folgendermaßen beschrieben: "Hier herrschen Mittel-bis Grobsande und Kiese mit hoher Wasserdurchlässigkeit vor, so daß bei Rheinhochwasser der Grundwasserspiegel stark ansteigt. Vereinzelt sind dünne Schluff-bzw. Tonlinsen eingeschaltet."

Wie wir von Herrn Reese, dem Enkel des ehemaligen Villenbesitzers Walter Hentzen, erfahren haben, soll der "Hentzenpark" zu der heute noch existierenden terrassenartigen Geländeform mit Sand und Kies aus dem Aushub des Oberwinterer Hafens, der im 19. Jahrhundert gebaut wurde, aufgeschüttet worden sein. Aus den Braunerden der Auenlandschaft wird also das oben beschriebene Bodengemisch, das auch seine besonders fruchtbare Beschaffenheit ausmacht - was noch durch die wintermilden und sommerkühlen klimatischen Bedingungen des Rheini-schen Schiefergebirges begünstigt wird.

Der viktorianische Landschaftsgarten

Das Gelände der Parkanlage ist im 18. Jahrhundert vermutlich Teil eines großen Bauernhofes, umgeben von Flachweingärten, da die fruchtbaren Rheinauen damals eher dem Weinanbau dienen als dem Ackerbau. Zwischen 1884 und 1895 legt die Witwe Klara von Recklinghausen, geborene Langen, aus Köln das Anwesen an. Sie kauft mehrere Kleinparzellen aus den "Flachweingärten", die auch einen Teil der Durchgangsstraße "Wickchen" zu anderen Privatgärten miteinschließen. Um der Bevölkerung diesen Durchgang weiterhin zu ermöglichen muß Klara von Recklinghausen eine neue Straße anlegen lassen, die auch heute noch den Park durchzieht: die Weingärtenstraße. So schafft sie zusammen mit dem Wickchen eine ausreichend große Fläche, auf der sie den von ihr geplanten Landschaftsgarten bauen lassen kann.

Die historische Gartenanlage ist nach damaligem Zeitverständnis im ausgehenden 19. Jahrhundert als viktorianischer Landschaftsgarten eine modisch angemessene Entscheidung. Der Hauptgedanke des viktorianische Landschaftsgartens geht auf die Schriften des Gartenkünstlers Humphrey Repton, der 1818 stirbt, zurück. Sinngemäß sagt er, daß der Garten ein künstlerisches und nicht ein Produkt der Natur sei. Die Gefühlskultur des 18. Jahrhunderts wird mit ihm überwunden. Guter Geschmack steht an erster Stelle vor dem malerischen Effekt. Der Verstand und nicht die Sinne sollen verführt werden. Als erster gibt er konkrete Beispiele für architektonisch-geometrische Elemente in Hausnähe, während im Park weiterhin das Prinzip der Naturnachahmung gilt, die bis zum "Nichtvorhandensein eines Stils" (Loudon) getrieben sein kann. Repton‘s Gestaltungsregeln liefern die Grundlagen für die eklektizistische Gartengestaltung des 19. Jahrhunderts und speziell die viktorianische Ära. Die Idee des Landschaftsgartens des 18. Jahrhunderts wird im 19 .Jahrhundert erweitert durch die Pflanzung exotischer Bäume, die jetzt in der Zeit des Kolonialismus Ausdruck von kontinentübergreifenden Geschäften sind.

Der viktorianische Landschaftsgarten, den sich Klara von Recklinghausen anlegen läßt, besteht aus zwei ungefähr gleich großen Teilen von jeweils ca. 1,5 ha. Die Seite zum Rhein und dem Leinpfad, einem ehemaligen Treidelweg, hin gelegen wird die eigentliche Gartenanlage, eine Hochterrasse mit wenigen, als Solitäre gepflanzten Exoten, großen Rasenflächen, einem Hainbuchenhecken umstandenen Rosarium, diversen Beetformationen und einem geschwungenen Wegesystem aus Lavaasche. Von dieser östlichen Anlage, über die nur anhand von historischem Wissen über den viktorianischen Landschaftsgarten und wenigen kärglichen Informationen spekuliert werden kann, stehen heute noch u.a. die Mammutbäume, die Blutbuchen, Thujas, Eiben, Linden, Bergahorn, Platanen und der Tulpenbaum. Inmitten dieser Anlage wird der kubusförmige Landsitz "Haus Rolandsau", der einen für das späte 19. Jahrhundert typischen Eklektizismus aus diversen Stilen aufweist, errichtet. Für die Kutschen der Familie wird eine Garage seitlich neben den Haupteingang und auf die anderen Seite eine Remise gebaut. An der südlichen Gartenmauer entsteht das Gärtnerhaus und ein Gewächshaus sowie ein daran anschließender Obstgarten werden nach Norden hin angelegt. Zur Weingärtenstraße hin schließt eine sauber geschnittene Weißdornhecke das Anwesen ab. Die andere Seite zur Mainzer Straße hin gelegen ist auch schon zur Zeit ihrer Errichtung als eher waldartiges Gebiet angelegt, das allerdings damals noch von einem Wegenetz durchzogen wird – ganz dem Prinzip der Naturnachahmung des Landschaftsgartens verpflichtet. Klara von Recklinghausen verbindet beide Gartenteile mit einer Basaltsteinbrücke über den hinteren Teil der Weingärtenstraße, die sie bauen läßt, um ihren Besitz beim Wechsel vom einen auf die andere Seite des Parks nicht verlassen zu müssen. Diese Brücke hat auf beiden Seiten hügelartige mit Ziegelsteinmauern befestigte Widerlager, die auch mit Bäumen und Büschen bepflanzt sind. In ihren Gewölben wird auf der Rheinseite Wintergemüse hinter verschlossener Tür gelagert und auf der östlichen Seite ist eine Art offene Grotte eingelassen, ausgekleidet mit Lavagestein vom Rodderberg und ausgestattet mit einer Steinbank. Die skurrile Brücke existierte recht lange und die Reste der Widerlager wurden erst vor ein paar Jahren wegen Einsturzgefahr abgerissen.

Das Anwesen der Hentzens vor dem 2. Weltkrieg

Bis 1915 bleibt das Anwesen im Besitz der Familie von Recklinghausen. In den drei darauffolgenden Jahren wechselt es mehrfach den Besitzer und wird 1918 von dem Remscheider Tuch-Fabrikanten Walter Hentzen mit Kriegsanleihen, deren Wert kurz darauf verfällt, gekauft. Walter Hentzen, der ältere von zwei Brüdern englischer Abstammung stirbt 1934. Seine Witwe heiratet vier Jahre später den jüngeren Bruder Arthur, der bis dahin seine Wolltuch-Fabriken in England und Lettland geleitet hatte. In Lettland war er auch Konsul. Unter seiner Obhut wird das Anwesen ab 1938 renoviert und der Garten neu angelegt. Das Gewächshaus wird erweitert, der Hund Udo erhält einen Zwinger hinterm Haus und ein Wintergarten erweitert die Nordseite der Villa. Parallel zum Leinpfad wird ein terrassenartiger Weg aus Bruchsteinplatten angelegt, der als Aussichtsplattform hinüber zur Insel Nonnenwerth und hinauf zum Drachenfels dient. Im Gärtnerhaus vorne an der Straße lebt jetzt der Obergärtner Schmitz mit seiner Familie, der nach dem Krieg bis in die 60iger Jahre hinein das Gewächshaus mit diversen Mistbeeten und den Obstgarten pachten wird. Neben weiteren fünf Gärtnern beginnt 1939 Herr Münz, der heute noch im Wickchen lebt, sein Landjahr in der Gärtnerei. Er hilft mit bei der Neuanlage des Gartens. Es werden zum Beispiel neue Staudenbeete neben Hortensienbüschen zum Rhein hin angelegt, eine Vogeltränke wird gebaut, Rhododendron hinter der Weißdornhecke angepflanzt. Er wir d ab 1940 als einziger zurückbleiben, als alle anderen Gärtner schon zum Kriegsdienst eingezogen sind, um dann selbst ab 1943 an die Westfront zu müssen.

Die Wehrmacht beschlagnahmt die Villa

Im Oktober/November 1939 beschlagnahmt die Wehrmacht die Villa als Wachstube. Einige Pioniereinheiten aus dem Polenfeldzug werden abgezogen und transportieren viele Kisten mit unterschiedlichster Munition über eine Notschiffbrücke aus Rheinkähnen von der Insel Nonnenwerth hinüber zum Ufer von Rolandswerth. Die Kisten werden im alten Park auf der Westseite versteckt. Es darf sich ihm keiner mehr nähern und das Wäldchen wird strengstens bewacht. Die Familie Hentzen ist in der Zwischenzeit in die Schweiz abgereist. Sie genießt dort Immunität, da die Schweiz England im 2. Weltkrieg auf diplomatischer Ebene vertritt. Zur weiteren Vorbereitung des für das Frühjahr 1940 geplanten Frankreichfeldzugs werden in der Villa zwischenzeitlich Offiziere mit ihren Burschen einquartiert. Die ganze Gegend ist voll besetzt mit Einheiten, die auf ihren Abtransport nach Frankreich warten. Von 1939 bis 1944 hält die Wehrmacht das Anwesen besetzt, obwohl es eigentlich aufgrund des Sonderstatus seiner englischen Besitzer exterritoriales Gebiet ist. Im Sommer 1944 kehrt die Familie Reese, die Tochter der Hentzens mit ihren Kindern, zurück nach Rolandswerth, da sie ausgebombt sind. Um Weihnachten 1944 quartiert sich ein weiteres Mal ein Wehrmachtsstab auf der Rückkehr von der Ardennenoffensive in der Villa ein. Der Vater Reese, Architekt und als Kriegsversehrter freigestellt, ist auf der Heimreise von Weimar, sein Sohn, der auf Kinderlandverschickung in Thüringen war, durchquert Deutschland zu Fuß, um zu Weihnachten bei der Familie zu sein. Die Nazis sind in Panik vor den herannahenden Amerikanern, die bereits bis Aachen vorgedrungen sind und zwingen Frau Reese, die Remise zu öffnen, um dort Geheimmaterial zu lagern. Die Remise wird von ihnen verplombt und sie verbieten der Familie, sich der Versiegelung zu nähern, dann ziehen sie wieder ab. Frau Reese ist so beunruhigt über die möglichen Gefahren, die dieses Geheimversteck in sich birgt, daß sie die Plombe aufbricht und tatsächlich einen Stapel von Möbeln aus Naziamtsstuben, aber vor allem eine Unmenge von Hitlerbildern findet. Obwohl sie weiss, dass sie in Lebensgefahr schwebt, entschliesst sie sich die Hitlerportraits im Rhein zu versenken. Sie wirft mit Hilfe der Kinder die Bilder bei Nacht und Nebel in den Fluß und versucht verzweifelt die Unzahl von in den Himmel starrenden Führeraugen mit Steinwürfen zum Untergang zu zwingen. Die dramatische Aktion gelingt und die führerlosen Bilder treiben schweigend davon oder sinken langsam hinab auf den Grund des Stroms.

Die Amerikaner bauen einen Swimmingpool

Die Amerikaner finden die Nazimöbel im Frühjahr 1945 und beschlagnahmen die Villa. Mit 300 Soldaten, bauen sie es zum kasernenartigen Stützpunkt mit Stockbetten aus, beschützt von zwei kaugummikauenden Wachsoldaten. Die Familie und die Bevölkerung aus dem Wickchen werden evakuiert, weil hier jetzt Kampfgebiet ist. Alle Möbel und das ganze Habe der Hentzens werden brutal zerschlagen, aus dem obersten Stockwerk werfen sie den Billardtisch durchs Treppenhaus bis er unten in tausend Splitter zerbirst. Im Keller finden sie den großen Safe, in den alle Freunde und Bekannten der Hentzens in der Annahme, das Anwesen stände unter dem Schutz der Schweizer Botschaft und sei als diplomatische Sicherheitszone gegen fremde Zugriffe immun, all ihre Wertgegenstände eingelagert haben. Drei Tage brauchen die Amerikaner, um ihn mit großem technischen Aufwand zu knacken. Dann finden sie Geld, Schmuck, wertvolle Leikas und dergleichen mehr: Das nennt man fette Kriegsbeute. Im Frühsommer scheint es einigen Soldaten zu heiß zu werden und das Becken eines Swimmingpools wird ausgegraben. Wegen Materialmangel improvisiert man mit angeschrägten Seitenwänden, die einen korrekten Betonguss ersetzen müssen. Der Standort ist erholungstechnisch genial gewählt: Zwischen dem großen Mammutbaum und der nördlichen Blutbuche mitten in der großen grünen Rasenfläche erstreckt sich das randlose Betonbecken circa zehn Meter in die Länge. Doch die Freude an diesem erhofften Badespaß kommt gar nicht erst auf, weil Arthur Hentzen, erbost über das eigenmächtige Handeln der Amerikaner, Klage im englischen Parlament einreicht, wo ihm Recht gegeben wird. Damit wird ein offizielles Verbot gegen den Bau des Pools erlassen und die GI‘s müssen das Becken unbenutzt wieder zuschütten. Bis zum heutigen Tage liegt es verborgen unter dem Parkboden und nur wenige können sich an seinen genauen Standort erinnern.

Die englische Marine und der französische Botschafter

Im Juni 1945 ziehen die Amerikaner ab und noch bevor die Hentzens in ihre Villa zurückkehren können, nimmt sich die englische Marine des Gebäudes an. Die Familie Hentzen muß in das Gärtnerhaus ziehen, wo ihre Köchin auch für die versammelte Mannschaft der Englischen Marineoffiziere kocht. Die Hentzens profitieren von diesem Umstand, weil sie so wenigstens mit kostenloser Nahrung versorgt werden. Die Marine ist dort stationiert, weil die auf dem Rhein für Ordnung in der chaotischen Nachkriegszeit sorgen soll. Nach einiger Zeit jedoch fordert Arthur Hentzen von den Engländern für ihren Aufenthalt in der Villa Pachtgeld, da ja die Offiziere im Grunde auf englischen Privatgrund wohnen und nicht auf deutschem Boden. Die Marine weigert sich, diese Forderung zu erfüllen und zieht es vor, das Grundstück zu verlassen. Da die Hentzenvilla jedoch direkt an der Grenze zwischen französischer und englischer Zone liegt, melden die Franzosen zwischen 1946 und 47 als nächste Ansprüche auf die Villa als Botschaftersitz an. Francois Poncet ist der erste Botschafter Frankreichs im besetzten Nachkriegsdeutschland. Später wird er von seinem Stellvertreter abgelöst. Frankreich allerdings pachtet das gesamte Anwesen für nicht allzu lange Zeit, da bald darauf eine neue Botschaft im Diplomatenviertel von Bonn-Bad-Godesberg gebaut wird. Während dieser Pachtzeit verkommt der Park und da man einfach Essensreste aus dem Fenster wirft, tauchen auch vermehrt Ratten auf dem Grundstück auf.

"Krimsekt" und "Roter Oktober"

Nach dem kurzen französischen Intermezzo, melden die Russen Interesse an dem Anwesen an. Der erste russische Botschafter ist Sorin. Die Sicherheitsbestimmungen der Russen sind extrem streng. Eine deutsche Anstreicherfirma, die die Fassade des Hauses streicht, darf aus Angst der Russen vor Wanzen niemals das Innere der Villa betreten und als sie nach getaner Arbeit eine Leiter auf dem Dach vergißt, sieht sie diese nie wieder. Das Übergabe-Protokoll der Villa, auf das die Russen bestehen, betreut Herr Reese, der inzwischen selbst sein Architekturstudium abgeschlossen hat. Danach beschließen die alten Hentzens 1957/58, sich auf dem Grundstück der ehemaligen Obstgärten im Norden in direkter Nachbarschaft zur russischen Botschaft ein neues Haus mit Garten bauen zu lassen. Das Haus, in dem kurz darauf Arthur Hentzen stirbt, ist in seiner Grundkonstruktion heute noch erhalten. Die Russen und Frau Hentzen werden gute Nachbarn und zu festlichen Anlässen verwöhnt man die alte Dame gerne mit Krimsekt und der repräsentativen Pralinensorte "Roter Oktober". Falin ist der letzte Botschafter der Sowjetrepublik in Rolandswerth. Die Russen sind die langatmigsten Pächter des Grundstücks seit Kriegsende und sie kümmern sich leidlich um den Park, dessen Pflege natürlich sehr kosten-und zeitintensiv ist. In den späten 60iger Jahren zieht die russische Vertretung ebenfalls in neue, größere Botschaftsgebäude nach Bonn-Bad-Godesberg um.

Das Anwesen geht über in Bundesvermögen – und verwildert...

Im Jahr 1973 beschließt die Erbengemeinschaft der Familie Hentzen, die sich in der Zwischenzeit gebildet hat, das Grundstück an den Bund zu veräussern. Das Bundesvermögensamt kauft es, um es eventuell in der Zukunft irgendeinem Staat auf der Suche nach geeigneten Botschaftsräumen zur Verfügung stellen zu können. Aber niemand meldet sich. Und auch als man versucht, andere Mieter zu finden, wie Stiftungen und große Firmen, beißt niemand an. Die Villa verfällt und die Konturen der ehemals so sorgfältig gepflegten Parkanlage verschwimmen zusehends. Die autonome Hausbesetzerszene der Bonner Umgebung entdeckt das Gelände. Die Villa wird für einige Zeit besetzt. Man sorgt rigoros für die Vertreibung der unerwünschten Eindringlinge. Um die anarchischen Umtriebe zu verhindern, ergeht der Beschluß, die Villa abreissen zu lassen. Der Großteil des Schutts wird abtransportiert und auf den hügelbildenden Resten erheben sich ganz schnell die für Brachflächen typischen Pionierpflanzen. Der vom Hochwasserschlamm gut gedüngte Boden ist so fruchtbar, daß in kürzester Zeit der Park nun völlig verwildert. Dicht wie ein Urwald wächst das Grundstück auf beiden Seiten zu, so daß von den wertvollen Exoten bald überhaupt nichts mehr zu sehen ist. Wie alle Brachflächen verführt auch diese die Leute dazu, aus ihr eine wilde Müllkippe zu machen. Aber auch die Kinder sehen in ihm einen Abenteuerspielplatz. So verliert der Park wegen der Undurchdringlichkeit des Pflanzenwuchs und der verrottenden Altlasten seine ehemalige Funktion als gepflegter Garten und nur sein Wert als Biotop bewahrt ihn zunächst vor dem Kahlschlag.



"Refugium in ausgeräumter Landschaft"

In den 80iger Jahren werden zwei Biotopkartierungen der verwilderten Parkanlage vorgenommen, die das Gelände als "Refugium in ausgeräumter Landschaft" definieren. Ein Streit entfacht sich über die Ausweisung des Parkbereichs als mögliches Baugelände oder als Grünflläche. Ein Kompromiss wird ausgehandelt, dass theoretisch bis an die Baumtraufen des Hentzenparks gebaut werden darf, aber der eigentliche Park mit seinem alten und schützenswerten Baumbestand erhalten bleiben muß. Nach und nach aber stellt sich heraus, daß der Park mit seiner Lage im Überschwemmungsgebiet und mit seiner heiklen Bedeutung als Biotop zum Baugrund eher weniger taugt. Seine Bewertung als wertvolles ökologisches Gebiet ist dann aber doch in den frühen 90iger Jahren Anlass, bei einer dringend erforderli-chen Verkehrssicherungsaktion des damaligen Försters aus der Eifel eine radikale Abholzung des Parks zu Bauzwecken zu befürchten. Da viele Bäume morsch sind, diverse Äste "abgängig" und schon einige Schadensfälle aufgetreten sind, muß eine baumchirurgische Maßnahme in Angriff genommen werden. Von der zuständigen Firma wird diese so rücksichtslos ausgeführt, daß nicht nur zwanzig dickstämmige Bäume einfach gefällt werden, sondern noch zwanzig weitere schwer beschädigt werden. Diese unnötige Fällung auch gesunder Bäume löst einen Sturm der Empörung nicht nur in der Bevölkerung aus, sondern auch bei den Umweltschützern der näheren Umgebung. Jahrelang spielt der Park im Bewußt-sein der Leute kaum eine Rolle, jetzt ist man aufgewacht und will einem vermeintlichem Kahlschlag mit Hilfe von Ankettungen an die Bäume und anderen Aktionen verhindern. Eine Welle wilden Protests geht durch die Presse. Die Bundesvermögensverwaltung gibt bekannt, dass sie am Besitz des Parks eigentlich gar nicht mehr interessiert ist. Da die erwarteten Gelder aus dem Neubebauungsplan nun doch nicht fliessen und somit sein Verkehrswert erheblich sinkt, bietet sie den Park zum Verkauf an. Zunächst versuchen einige Privatleute mitzubieten, die immer noch auf eine spätere Neubebauung hoffen, dann aber schaltet sich die Stadt Remagen ein und kauft das Grundstück zum großen Teil. Sie kann am ehesten garantieren, daß sie die hohen Pflegeanforderungen erfüllen wird. Sie Stadt Remagen erhält daher den Zuschlag von der Bundesvermögensverwaltung und will zunächst nur das Ziel verfol-gen, eine Flächenreserve anzulegen und zudem ein Nutzungs-Konzept für die Zukunft zu entwickeln. Anstatt ein großes, teures Gutachten erstellen zu lassen, wird die Diplomarbeit von Astrid Graf aus dem Jahr 1996 für die Landwirtschaftliche Fakultät der Universität Bonn über den Hentzenpark gesponsert, aber ihre Vorschläge zur Neunutzung des Parks verschwinden in der Schublade, da sie nicht wirklich greifbar und umsetzbar erscheinen.

Mit Kettensäge und Muskelkraft

Der derzeitige Forstamtmann Stephan Braun erhält den Auftrag, für die Zwischenzeit, bis eine politische Entscheidung über die mögliche zukünftige Nutzung des Hentzenparks ausgearbeitet ist, den Park wenigstens verkehrsicherunsgtechnisch zu betreuen. Denn hier haftet die Stadt Remagen bei Unfällen durch herabfallendes Totholz, weil der Park kein öffentlicher Wald ist, wo jeder für sich selbst verantwortlich ist. Stephan Braun läßt zunächst einen Baumpfleger durch die Kronen steigen und Tot-und Trockenholz in etlichen Bäumen herausschneiden, dabei stellt der Pfleger fest, dass einige Bäume dringend eine Kronensicherung brauchen. Das bedeutet, dass sie entweder radikal zurückgeschnitten oder mit Textilbändern festgezurrt werden müssen, damit die alten Kronen nicht auseinanderbrechen. Da die Verkehrssicherung nach wie vor nicht wirklich gewährleistet ist, entwickelt Stephan Braun in Eigeninitiative ein Konzept, weil er auf den Verfall der wertvollen Exoten aufmerksam machen will. Er rechnet mit stärkstem Widerstand gegen seine einschneidenden Maßnahmen. Aber man ist von seinen Vorschlägen begeistert, weil endlich jemand überhaupt etwas unternehmen will, um den Park wiederzubeleben. Der Park gleicht ja zu diesem Zeitpunkt noch einem Urwald und viele der seit über 30 Jahren flächendeckend wachsenden Wildlinge, Eichen, Ahorn und Kastanien zerstören die Äste der alten Exoten von unten durch ihr Nachdrängen. Um eine weitere unwiederbringliche Zerstörung dieser alten, schützenswerten Bäume zu verhindern, gibt es nur eine Maßnahme: die Rodung des Unterholzes bis auf den Grund und Freilegung der alten Parkstruktur, um den wertvollen Beständen wieder Luft zum Atmen zu verschaffen. Freie Sichtachsen sollen den Besuchern künftig den Blick zu den riesigen Kronen der Altbäume öffnen und den Parkcharakter wieder deutlich machen. Die weitere laufende Pflege ließe sich danach mit Freihalten der Sichtachsen und Stammfußbereiche der Altbäume im 1-2 jährigen, die Durchforstung im ca. 5-jährigen Rhythmus durchführen. Im Winter 2000/2001 setzt Stephan Braun sein Konzept in die Tat um: Achtzehn junge Männer und Frauen nehmen an einem JHV-Ökoprojekt teil, einer ABM-Maßnahme des Kreises zu Gunsten arbeitsloser Jungendlicher. Ihnen soll eine Chance gege-ben werden, durch ihr Engagement im Naturschutz nach ihrer Ausbildung auch weitervermittelt zu werden. Mit Kettensäge und Muskelkraft machen sich die Jungendlichen daran, das Unterholz des Hentzenparks radikal zu lichten. Ende Januar 2001 ist von der ehemaligen Verwilderung des Parks nur noch wenig zu sehen. Bündel von Ästen und Reisig sind zur Vermoderung sauber aufgestapelt und können auch von der Bevölkerung als Brennholz abgeholt werden. Diese Maßnahme ist wie eine Grundsteinlegung für einen neuen Gartenentwurf.


Programmatische Beschreibung des Gesamtkonzepts: "Geheime Gärten Rolandswerth"

Geheime Gärten Rolandswerth

Das Gespräch mit Stephan Braun macht uns klar, dass es wichtig ist, den alten Baumbestand in der richtigen Reihenfolge der Maßnahmen zu sichern, um aus der ehemaligen Wildnis wieder eine für den Besucher lebendige Gartensituation zu machen. Daher möchten wir den Park auf der westlichen Seite völlig sich selbst und der försterlichen Obhut überlassen und die Breite seiner Fläche als Lärm und-Sichtpuffer für den eigentlich begehbaren Park auf der östlichen Seite verwenden. Die Hainbuchenhecke an der B9 könnte auch ruhig etwas höher stehen, um die Situation noch konsequenter gegen den starken Durchgangsverkehr zu schützen, aber eine gut sichtbares Schild könnte auf die entsstehenden und später fertigen "Geheimen Gärten Rolandswerth" an der Ecke zur Parkstraße aufmerksam machen. Stephan Braun befürwortet diese Idee, weil er meint, dass in diesem Waldstück die Verkehrssicherung noch lange nicht abgeschlossen sei. Im zum Rhein gelegenen Teil des Parks hingegen sind die Schutzmaßnahmen weitestgehend abgeschlossen, nur die Baumreihe vorne an der ehemaligen Bruchsteinterrasse ist noch nicht behandelt. Dort müssen noch Kronensicherungen vorgenommen werden. Diese forsttechnischen Maßnahmen sehen wir als Voraussetzung für die Umsetzung unserer Planung der Neuanlage des Parks, die wir im folgenden als kurzes Programm darlegen möchten.

Das Tor

Die neuen "Geheimen Gärten Rolandswerth" betritt man durch das alte Haupttor des ehemaligen Hentzenparks, das nun ein neues Metallgitter mit zwei Eingängen, einem großen und einem kleinen erhält. Der kleine Durchgang verweist auf den utopischen Charakter des in den Park eingeschriebenen Textes und darauf, dass das Projekt ein ständig im Wachsen begriffenes ist, ohne sich je zu vollenden. Daher ist das Tor nun der Träger für den Beginn des Satzes, der den Park neu definieren soll: "Die vollendete Speculation". Über Material und definitive Form des Gitters muß noch nachgedacht werden. Die an das Tor grenzende alte Gemäuer soll ausgebessert werden, alle Schilder vor dem Tor entfernt werden – bis auf einen Gartenplan, der auf die vier Stationen des Parks schematisch verweist - und der Efeuwuchs danach wieder begünstigt werden.

Der Turm

An der alten Blutbuche direkt hinter der Auffahrt vorbei kommt man hinüber zu der Stelle zwischen der dritten Blutbuche und dem großen Mammutbaum – am nördlichen Teil der ehemalige Villa, wo einst der Wintergaren stand. Dort wollen wir einen Betonturm aufstellen, der aus Beton- Segmenten gebaut ist, die den Schriftzug "fuehrt" im Kreis tragen. Der Turm ist ein Pflanzenturm, der so gestaltet werden soll, dass auf ihm sowohl Gepflanztes als auch zufällig Herbeigeflogenes wachsen kann, der aber auch mit Hilfe von Nistkästen Vögeln und Fledermäusen Platz zur Ansiedelung liefert. Es gibt in dieser Gegend sechs Fledermaus-Arten, die wenig Nistmöglichkeiten haben und denen der Turm dazu dienen könnte. Der Turm ist der zentrale künstlerische Eingriff, der wie ein Generator funktionieren soll und dessen Umgehbarkeit für das Verständnis des Gartentextes unumgänglich ist. Wir arbeiten mit einem Architekten, einem Statiker und mehreren Beton-und Baufirmen zusammen, um den Turm zu realisieren. Auch die Bepflanzung und die Nisthilfen sollen aus professioneller Hand kommen.

Die Treppe

Der Aufgang zum Park vom Leinpfad aus soll so gut restauriert werden, dass er zwar immer noch das Brüchige der Bruchsteinmauer behält, aber allen erforderlichen Sicherheitsansprüchen bei Hochwasser genügt. Auf jeden Fall sollte das Gitter, das jetzt ganz eingesunken ist, durch ein neues Metallgitter ersetzt werden, das den dritten Teil des Satzes "zur Natur zurück" vom Leinpfad aus lesbar macht. Wie am Eingangstor muß noch eine konkrete Form gefunden werden, wir bieten hier nur eine Ideenskizze an. Die verrosteten Metallpfosten des ehemaligen Zaunes auf der Mauer ließen sich wieder begradigen, mit Draht verspannen und als Wuchshilfe für den Efeu, der von oben aus dem Park über die so erhöhte Mauerkante wachsen könnte.

Das Wegenetz und Bänke

Wir haben uns mit den Trampelpfaden beschäftigt, die jetzt schon von den durch den Park gehenden Leuten "angelegt" worden sind, und haben festgestellt, dass sie größtenteils die beste Sicht auf die Schönheiten des Parks ermöglichen und daß sie auch als sinnvolles Blicksystem für unsere Idee tauglich erscheinen. Natürlich müssen sie noch an einigen Stellen ausgearbeitet werden, aber grundsätzlich existieren hier schon gute Grundlagen zur Wegegestaltung. Unsere Parkwege sollen also nur leicht ausgeformte Trampelpfade werden, von Wurzeln befreit und mit einer Rüttelplatte geebnet werden sollten und die auf Dauer von Efeu freigehalten werden müßten. Entlang der Wege sollten an markanten Stellen sieben Bänke aufgestellt werden, die zusammen den Namen NOVALIS ergeben. Auch sie sollten aus Beton gegossen werden und jede Bank – einen Buchstaben symbolisierend – könnte von einem Bildhauer gestaltet sein.

Das Gewächshaus als Museum

Das Gewächshaus soll als befestigte Ruine zum musealen Standort werden. Mit einem Architekten müßte man das Gebäude so verändern, dass sein Ruinencharakter erhalten bliebe, aber alle gefährlichen Details beseitigt würden. Wichtig ist uns, dass die Wildlinge, die jetzt das Glasdach durchstoßen, dort bleiben können, das zerborstene Glas aber soweit entfernt würde, dass sicherheitstechnisch keine Probleme mehr auftreten können. Es ist ja das letzte noch stehende Gebäude der alten Ära und soll als dieses seine Funktion als Bewahrer der Geschichte des "Hentzenparks" erhalten. Hier wollen wir - wie oben schon erläutert - diese Geschichte in von uns aufgezeichneten Anekdoten auf Tafeln konservieren. Und auch einige Informationen zu Novalis und zu den ökologischen Massnahmen könnten auf den Tafeln veröffentlicht werden. Diese Tafeln könnten aus Edelstahl sein, um ein Material zu wählen, das einigermaßen vandalismussicher und wetterfest ist. Der mittlere schmale Raum sollte gesäubert und weiss geschlemmt werden, sodass die diversen circa DIN A 2 grossen Tafeln dort montiert werden können. Die anderen beiden Räume rechts und links davon sollten unter Berücksichtigung architeltonischer Notwendigkeiten wie zwei weitere kleine Gärten betrachtet werden. Links könnte ein Portrait von Herrn Münz von 1939 hängen, da er dort sein Landjahr gemacht hat und sehr um den Hentzenpark bemüht ist. Rechts könnte das alte Tor, das die Bevölkerung gerettet sehen will, mit einem der verrottenden Pfosten aufgestellt werden und dort könnte Herr Münz einen eigenen kleinen Rosenstock anpflanzen – wie er sich das gewünscht hat.

Die gärtnerischen Details

Nach Rücksprache mit einem Wanderschäfer haben wir uns entschlossen, die Hauptpflege des Gartengeländes durch Beweidung vorzunehmen. Zweimal jährlich würde dann eine Herde aus Schafen und Ziegen auf beiden Seiten der Weingärtenstrasse gelassen, die zusammen alles abfressen würden, was dort wächst. Mit Hilfe von mobilen Elektrozäunen könnte man die Bereiche ausgrenzen, die eher zuwuchern sollen und diese Massnahmen jährlich ändern. Die Nachpflege des Gartens würde dann auch der Schäfer übernehmen, sodass in seinen Händen - immer nach Rücksprache mit uns - fast der ganze gestalterische Part liegen würde. Links und rechts neben der Weingärtenstrasse würden wir gerne eine sogenannte Benjeshecke (bestehend aus dem alten Baumschnitt und in kurzen Abständen gepflanzten Hainbuchsträuchern) anlegen, die nur an zwei Stellen für die Herde durchlässig sein müßte. Andere Pflegemassnahmen beziehen sich auf den Beschnitt der Pflanzen auf dem Turm und dessen eventuelle Nachbepflanzung bzw. Nachrüstung der Nistkästen, den regelmässigen Beschnitt der alten Baumkronen und die Freihaltung des Wegenetzes und des Gewächshauses.

Die Aufstellung eines Hinweisschildes und die Gartenpläne

Direkt an der Ecke zum oberen Teil des Parks am Beginn der Parkstraße würden wir gerne ein großes Hinweisschild mit der Aufschrift "Geheime Gärten Rolandswerth" aufstellen, das die Autofahrer auf der B9 direkt auf den Park aufmerksam machte. An allen Parkeingängen, sprich, dem oberen Haupttor, dem Treppenaufgang von unten und dem kleinen Gartentörchen beim Gewächshaus würden wir einen circa DIN A4 großen schematischen Gartenplan anbringen lassen, so daß man weiß, dass hier noch mehr zu suchen und zu finden ist, als das, was man gerade sieht.

Die Dokumentation als Netzarbeit

Die ganze Arbeit zum Park werden wir in einer eigenen Netzarbeit dokumentieren. Die Website würde sofort eingerichtet, sobald der Prozess der Gartenrealisation begänne und dieser Prozess würde mit all seinen Veränderungen dort aufgezeichnet und dokumentiert. Schon jetzt haben wir den Text zum Gartenentwurf auf unserer eigenen Website ( www. die-dritte-kammer.de) ins Netz gestellt und nutzen diese Plattform zunächst als Publikationsebene.



Quellenangaben

1. Anekdoten und Fakten:

° Mathias Münz, Rolandswerth,
ehemaliger Gärtner im "Hentzenpark"
° Herr Reese, Düsseldorf/Mallorca, Enkel von Walther Hentzen,
zum Teil aufgewachsen im "Hentzenpark"
° Stephan Braun, Sinzig-Remagen,
zuständiger Förster für das Gelände des "Hentzenpark"
° Astrid Graf, Aufenthalt unbekannt,
Diplomarbeit zum "Hentzenpark", Universität Bonn, 1996


2. Das historische Zitat:

* "Die vollendete Speculation führt zur Natur zurück", Zitat aus Novalis: Schriften -
die Werke von Friedrich von Hardenberg, Band 3, Das Philosophische Werk II Hg.
von Richard Samuel in Zusammenarbeit mit Joachim Mähl und Gerhard Schulz,
Darmstadt 1968, S. 403

* "Die vollendete Speculation führt zur Natur zurück",
Silvio Vietta, Reclam Verlag Leipzig, 1995