INTERVIEW im Ausstellungskatalog "Peter Duka" des Freiburger und des Mannheimer Kunstvereins

Gespräch zwischen Martin Stather (Mannheimer Kunstverein)
und Peter Duka, geführt im September 1993

M. S. Wenn man deine Bilder betrachtet, fällt einem auf den ersten Blick mehreres auf. Das erste ist diese, ich will es mal nennen rückwärtsgewandte Vision, nämlich, daß du Dinge, Landschaftsgärten malst, die Ähnlichkeit zu Gemälden aus dem 16./17. Jahrhundert besitzen, ich meine das nicht auf die Malerei bezogen, sondern auf die Sujets. Wie kommt das zustande?

P. D. Also erstmal war es natürlich eine Herausforderung, den Bezug zur Vergangenheit der Malerei zu wagen. Mich hat Malerei von Anfang an, schon fast als Kind, interessiert und ich habe immer bedauert, daß in der zeitgenössischen Kunstwelt eine Riesenangst vor der Kunst der Vergangenheit existiert. Der Zwang modern zu sein, ist wirklich manchmal absurd. Und diese Liebe zur Malerei, das Betrachten alter Bilder, ließ mich bestimmte Phänomene, auch malerische Phänomene in der zeitgenössischen Kunst vermissen. Ich sah einfach keinen Grund mehr, bestimmte Dinge, die mir gefallen, die mir auch Freude bereiten, mir Lust verschaffen, in der Malerei einfach auszulassen.

M. S. Jede Malerei baut ja auf Traditionen auf. Das ist ganz klar Aber selten sind die Bezüge so direkt zu erkennen wie bei dir. Warum jetzt diese ganz bewußte Rückwendung? Das hat ja etwas sehr Unzeitgemäßes.

P. D. Die Kunst der 8OerJahre ha't sich extrem mit der Vergangenheit des 20. Jahrhunderts beschäftigt. Beispielsweise der Expressionismus und dann Duchamp nicht zu vergessen, der in jedem Katalogtext auftaucht als Vater aller Dinge. Und meine Leidenschaften lagen immer schon ein bißchen woanders, vielleicht war es auch Trotz. Ich sah darin eine große Chance, um ein freies Feld zu finden, wo es so viel Malerei gibt.

M. S. Was auffällt, ist ja eine gewisse Künstlichkeit, die den Bildern zu eigen ist. Das ist möglicherweise das Problem von Distanz und Nähe, daß man einerseits sehr direkte Bezüge herstellen kann, andererseits bei deinen Bildern etwas wie eine Folie zwischen Sujet und Malerei selbst liegt.

P. D. Malerei war für mich immer irgendwo ein Fluchtpunkt. Dieses rein geistige Bestreben hat mich fasziniert - man kann ja Bilder nicht wahrhaftig betreten - aber mit dem Auge, mit dem Geist kann man sie betreten. Und vielleicht hat das auch etwas mit dem Künstlichen zu tun. Die Dinge, die einem modernen Künstler verboten sind, nämlich z. B. zu fliehen oder sich selber Trost zu schaffen in Bildern, hat mich gereizt. Der aufgeklärte Mensch verträgt ja unwahrscheinlich viel Elend, sucht es förmlich. Auch die moderne Kunst ist ja voll mit dieser Ästhetik des Häßlichen. Dieses Künstliche habe ich mir einfach erlaubt. Ich habe mich auch damals für Carl Spitzweg begeistert. Seine Malerei hat ja auch viel mit Bühnenbild zu tun. Bühnenbilder, insbesondere das illusionistische Bühnenbild, also bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, aber auch davor, z. B. Schinkel finde ich schön.

M. S. Aber das ist ein gefilterter lllusionismus, der oft ein wenig in Richtung Idylle geht, die ich in deinen Bildern nicht finde. Es ist ein gewisser romantischer Zug darin, der aher abgemildert wird erstens durch die Formate, die zumindest zum Teil unkassisch sind, und auf der anderen Seite doch konstruiert wirken auf eine A rt.

P. D. Ein anderes Element ist die Arehitektur. Ich meine, diese panoramaartigen Formate haben auch viel mit Friesen zu tun.

M. S. Also architekturgebunden.

P. D. Ja, architekturgebunden. Damals konnte ich mir gut vorstellen, einen Raum mit so einem Fries auszustatten, das wäre eine tolle Aufgabe gewesen. Ja es hat etwas mit Architektur zu tun, mit Konstruktion eben. Idylle ist ja letztlich auch immer konstruiert. Also z. B. um bei Spitzweg zu bleiben, die Bilder laufen nach einem ganz bestimmten Schema ab. Ich wollte die Malerei, die mir so gut gefiel, verstehen. Natürlich habe ich dann Dinge kombiniert, die es meinetwegen im 17. Jahrhundert nicht gegeben hat, eben wie das Panorama.

M. S. Das führt zu der Frage. Was für ein persönliches Verhältnis hast du zur Natur oder zu den Gärten, die du malst? Das können auch zwei völlig verschiedene Dinge sein.

P. D. Ja ich würde sagen, Gärten und Natur sind wirklich zwei völlig verschiedene Dinge.

M. S. Das eine ist konstruierte, menschliche bearbeitete Natur und das andere ist "wilde" Natur.

P. D. Ich glaube, beides existiert ohne einander nicht. Also ohne Vorbilder wird man schwerlich in der Natur überhaupt etwas wahrnehmen und gleichzeitig ohne Natur wird man wahrscheinlich keine Vorbilder finden. Das ist wie ein Zirkel.

M. S. Die Natur hat ja kein Bewußtsein. Das Bewußtsein des Menschen, der diese Natur für sich gestaltet, ist eine andere Geschichte. Denn die Landschaflsarchitekten oder Gartenbau künstler und auc.h die Theoretiker des 17. und 18. Jahrhunderts waren sich sehr wohl hewußt, was sie wollten und haben in gewisser Weise versucht, mit diesen Gärten Gesamtkunstwerke zu schaffen.

P. D. Ja, es gab eine Zeit, wo die Gärten wirklich von der Architektur herkamen. Was du über das Bewußtsein gesagt hast, finde ich interessant. Ich stelle mir vor, es wäre ideal, durch das Bauen von Gärten und das Eindringen in diese Materie quasi das Bewußtsein zu verlieren und sich selbst als Teil der Natur zu begreifen, indem man ihr nahekommt. Gärten zu malen ist vielleicht eine erste Stufe dazu.

M. S. Laß uns nochmal auf das romantische Element zurück kommen. Einerseits ist es das Pittoreske, das dich daran fasziniert Gleichzeitig gibt es noch etwas anderes: Du hast vorhin erwähnt, dass dich z. B. auch Fantasy Darstellungen beeinflußt haben. Mir ist beim ersten Mal, als ich die Bilder gesehen habe, aufgefallen, daß die Landschaften wie mit einem fremden Auge angesehen scheinen, von einem Besucher aus dem All meinetwegen, der die Erde besuc.ht und davon die ersten Eindrücke wiedergibt. Beides zusammen schafft diese merkwürdige Distanz.

P. D. Also erstmal ist die Malerei natürlich in den Bildern sehr wichtig. Darüberhinaus ist da noch ein metaphorisches Element, das etwas sehr Realistisches und etwas Utopisches, nicht sofort Betretbares, vereinen will.

M. S. Vergleiche mit älterer Kunst drängen sich auf. Wir sprachen von Hubert Robert, von seinen Bildern, die ja auch Landschaftskonzepte darstellen, die auch nicht die Wirklichkeit seiner Zeit darstellen. Und dann andererseits die Landschaf ts- und Architekturphantasien von Ledoux und Boullé. Das hat ja auch sehr viel mit deinen Arbeiten zu tun.

P. D. lch finde Boullé sehr interessant, aber ich möchte ihn nicht gebaut sehen. Das wäre ein Alptraum. Bei Hubert Robert finde ich, kommt das mehr zusammen. Robert hat ja auch Gärten gemacht. Er denkt einfach in menschlicheren Maßstäben. Gerade Hubert Robert bezeichnet einen glücklichen Punkt in der Geschichte, wo das Konstruieren und gleichzeitig das Destruieren zusammenkommen, dieses Romantische und das Klassizistische.

M. S. Dieser romantische Zug in der Architektur läßt sich sicherlich noch weiter zurückverfolgen. Ich denke da an Piranesi, der einerseits die Veduti di Roma germacht hat, die teilweise realistisch sind, andererseits natürlich mit den Figurenstaffagen von diesem Realismus wieder wegkommen, und dann seine Architekturphantasien, die Carceri, die den Schrecken genießbar machen und höchste Wertschätzung über alle Zeiten hinweg genießen.

P. D. Ja, die Moderne liebt die Carceri, weil sie ja auch auf der Grenze zum Verrücktsein sind. Und die Moderne liebt das Verrückte besonders. Aber dieses emotionale Element, das ist wahrscheinlich das Barocke daran, dieses Schauerliche, das gefällt mir daran.

M. S. Wir hahen von Landschaft, Architektur und Konzepten gesprochen. Du baust ja auch Modelle, Modellminiaturen schon fast von deinen Landschaften. Sind das Vorarbeiten zu den Gemälden? Welchen Stellenwert haben sie innerhalb der Malerei oder überhaupt innerhalb deiner Kunst?

P. D. Also entstanden ist das eher durch Zufall. Ich hatte Knetmasse, so Knetgummi und habe mit einem feinen Stift darin rumgemalt. Es hat viel mit Malerei und Oberfläche zu tun und eines meiner Probleme war auch immer die Schattenkonstruktion, also wie die Schatten fallen, damit es richtig plastisch wirkt. Und dann merkte ich, dass es ganz einfach ist. Man muß nur einen Klumpen da hinstellen, den beleuchten und fotografieren oder anschauen und dann ist es plastisch. Da habe ich gemerkt, daß etwas, was in der Malerei ganz schwerfällt, im Modell besonders einfach geht, nämlich ganz bestimmte Elemente, z. B. eine Sache von verschiedenen Seiten zu betrachten, also sie noch mehr zu objektivieren. Es ist eine neue Möglichkeit in diese mir vorschwebenden Welten hineinzugehen. Einfach eine Ergänzung. Durch dieses Modellieren kam ich dann in die Vogelperspektive herein. Vor mir liegt dieses kleine Modell und ich schaue von oben drauf. Da hat sich dann auch die neue Perspektive, die in meinen Bildern jetzt gerade vorkommt, in den neueren Arbeiten ergeben. Das Modell hat meinen Blick einfach erweitert. Dazu kommt dann die Fotografie.

M. S. Mit anderen Worten Dich interessieren die plastischen Valeurs dabei. Die Modelle schaffen wiederum eine Distanz zu den Gemälden, da sie nicht farbig sind Sie betonen eher diesen spielerischen Charakter, den Landschaft als Vorstellung und Konzept hat.

P. D. Ja, das Spielerische wird einem am Modell leichter gemacht als in der Malerei. Dinge räumlich zu konstruieren, das Hintereinander und Nebeneinander von Elementen, die in der Vorstellung schon existieren, lassen sich da leichter erfahren.

M. S. Du fotografierst die Dinge so, daß es auf der einen Seite auch realistische Landschaft sein könnte, andererseits kolorierst du sie manchmal daß es eher aussieht wie z B. eine Mondlandschaft.

P. D. Stimmt.

M. S. Und dann wird es nochmal in der Zeichnung wiederholt. Die Zeichnung hat noch eine weitere Ebene. Du arbeitest mit Tusche auf Transparentpapier.

P. D. Ich glaube, das hat mit meinem Hang zur Architektur zu tun.

M. S. Also Konstruktionszeichnung?

P. D. Als Konstruktionszeichnung, als Plan. Pläne faszinieren mich, besonders Gartenpläne. Und dann das Plastische, das hat ja auch viel mit Architektur zu tun. Beides sind nochmal Möglichkeiten vom Zentrum Malerei ein bißchen wegzutreten und aus einem leicht veränderten Blickwinkel dasselbe neu zu betrachten. Und ich merke, daß es für mich sehr fruchtbar war, damit zu beginnen. Am Anfang habe ich ja nur gemalt. Das Malen ist die Vision würde ich sagen und das andere sind irgendwelche Wege, die Plastizität dieser Vision mehr herauszuarbeiten und um sie überschaubar zu machen.

M. S. Es gibt ja verschiedene Perspektiven. Einmal die Perspektive von oben, dann von sehr weit weg, sodass die Horizontkrümmung sichtbar wird. Dann gibt es ganz traditionell gebaute Ansichten aus der Position eines im Garten selbst stehenden Menschen, sind das nun Schritte der Annäherung an dieses Landschaftskonzept?

P. D. Prinzipiell kann man sagen, daß es Seelenlandschaften sind, also Landschaft als Stimmung. Ich male ja keine wirklich echten vorhandenen Landschaften. Ich kümmere mich nicht sehr viel um topografische Schlüssigkeiten oder solche Dinge. Ausgangspunkt war fur mich, eine Stimmung darzustellen.

M. S. Die in der Landschaft präsent ist.

P. D. Die in der Landschaft dann aufgeht.

M. S. Deine Formate sind teilweise sehr ungewöhnlich. Ich denke an die Cinemaskopformate auf der einen Seite und dann gibt es diese ovalen Formate, die wieder auf alte Vorbilder zurückgehen.

P. D. Ja, das pendelt so. Auf der einen Seite diese Modernität der Panoramaformate, die aber auch mit chinesischer Malerei zu tun haben. Das ist etwas eher Intellektuelles; während der Inhalt sehr idyllisch ist, arbeitet dieses Panoramaformat dem entgegen.

M. S. Eigentlich arbeiten beide Formate ja dem gewohnten Blick zunächst entgegen.

P. D. Ich denke, da gibt es zwei Weisen zu sehen, zwischen denen wir permanent hin- und herpendeln. Das eine ist die etwas unbewußte Art, die vielleicht eher einem unscharfen Oval entspricht, als dem Rechtwinkligen, Abgegrenzten. Der bewußte Blick ist immer auf einen Punkt gerichtet, der scharf ist und ich finde, das symbolisiert das Rechteck sehr gut. Beim Panorama wird es dann wieder unübersichtlich, obwohl es rechtwinklig ist. Das ist eben auf Rundumsicht, also gleichzeitig auf Unüberschaulichkeit angelegt. Das hat mich natürlich gereizt, daß man die Dinge mit den Augen in der Bewegung abtasten muß, um überhaupt das Ganze wahrzunehmen.

M. S. Reizen dich Gärten als Gesamtkunstwerk?

P. D. Ja, das ist etwas, was mir vorschwebt. Ja und Malerei als eine Verführung in diese Welt hinein, also als erster Schritt in diese Welt hinein, ist ein Anfang.