DIE DRITTE KAMMER - KUNSTHERZ


„Camouflage“, sagt man, käme der Natur gelegen, wenn ihr das Risiko zu hoch erscheine, entdeckt zu werden. Einkleidungen in schöne Gewänder aus grünen Üppigkeiten, aus greller Eleganz oder erdigen Tönen seien ihr sicherer Zufluchtsort vor detektivischer Neugier von Botanikern, Biomimetikern und anderen Eindringlingen. Hinter all dem Spiel mit der Schönheit aber verberge sie ihr wahres Gesicht: Grausamkeit. Diese Janusköpfigkeit läge allen natürlichen Phänomenen zugrunde, betrachte man sie ohne rousseausches Sehnen.

Der Natur ein gutes oder schreckliches Wirken zuzuschreiben, ist Moden unterworfen, wie es alle kulturellen Belange sind. Noch vor zehn Jahren zog man de Sade und seinen Hang vor, das menschliche und kreatürliche Leid mit zynischem Abstand als vermeintlich naturgegeben hinzunehmen. Heute sehen wir die Haltungen Rousseaus und de Sades als zwei Seiten ein und derselben Medaille und stören uns kaum an den Paradoxien, die in ihren unterschiedlichen Gedankenwelten aufscheinen.

Dieses Einnisten im Paradoxon hat uns die fortschreitende Postmoderne möglich gemacht. Beuys war davor noch gefeit gewesen. Der konsequente Schritt vom vermeintlichen Ende seiner Künstlerexistenz zum Einsatz als grüner Politiker machte ihn selbst zum ready made und so schloß sich ein Kreis, der konsequenter nicht zu schließen gewesen wäre. Aber Konsequenz bedeutet immer auch zuendedenken, bis ans Ende gehen - also Tod. Der Umschlag von modernistischer Moral mußte über den Zynismus zur Ambivalenz führen. Und der Versuch, die moralistische Strenge der siebziger Jahre mit „politisch korrektem“ Impetus nachzuvollziehen, mußte in „Diskursnebeln“ versinken, weil sein Impuls durch den Zynismus der 80iger noch zu stark geschwächt war.

So ist heute unser Verhältnis zur Natur sowohl von ökologischen Erwägungen, von den Erfahrungen der Land-Art-Künstler und ihrer neo-konzeptuellen Nachfolger geprägt, als auch von der einschneidenden Erkenntnis, daß das, was wir Natur nennen, schon viele Male „kultiviert“ worden ist und sich somit wieder und wieder selbst relativieren muß. Turrell, Smithon oder Long sind modernistische Nachfahren der Englichen Landschaftsgärtner des 18. Jahrhunderts. Allein Finlay’s „Little Sparta“ schließt in postmoderner Manier direkt an diese Tradition des ausgehenden 18. Jahrhunderts an.

All diese unterschiedlichen Standpunkte im Visier, pflanzen wir die Herzzelle unseres „Gartens“ inmitten des Platzes, auf den wir von unseren Ateliers aus hinabblicken. Wir wollen mit dem Widerspruch leben, daß dieser Garten zunächst unzugänglich und nur Gärtnern der Zutritt gewährt sei. Diese fast anthropofugale Verweigerung drängt sich auf, angesichts der Verkommenheit des real existierenden Platzes, angesichts seiner Ungestalt, die umzuformen uns einfach angeht.