DIE DRITTE KAMMER - ASPHALTVERSCHIEBUNG


Den Unzerstörbaren - ásphaltos - nannten ihn die Griechen. Schwarz und glänzend versiegelt eingeebneter Teer das Erdreich. Zähplastisch kluftenfüllend findet er sich in Gesteins-Poren, läßt er sich in großen Brocken aus Gebirgen abtragen. Aus ihm wird ein Gemisch gekocht und gegossen, das als Synonym für die Urbarmachung unzugänglicher Landschaften gilt. Asphalt hat einen Nutzwert, der so alt ist, wie die westliche Zivilisation, schon in Mesopotamien als Mörtel eingesetzt, in Ägypten als Billigbalsam für die Leichen einfacher Leute verwendet, im antiken Rom als Universal-Heilmittel begehrt, im Mittelalter jedoch vergessen, gelangt er zur Zeit der Aufklärung in Europa zu einer neuen Anwendung, die die heutige Infrastruktur weltweit mitgestaltet.

Der Arzt Eirinis findet im Juragebirge, im Val de Travers, Asphaltgesteins-Vorkommen. Mit flüssigen Baumteer erhitzt er das zerkleinerte Gestein und gewinnt daraus wasserabstoßenden, stark klebrigen Asphaltmastix. Ausgerechnet in einem Garten König Ludwigs XV. von Frankreich, in einem „jardin d’intelligence“, kommt dieses gummielastische Stoffgemisch zum ersten Mal 1725 zum Einsatz: Ein Wasserbassin wird mit dem Binder abgedichtet und das haltbare Ergebnis bei Hofe viel beklatscht. Doch damit ist zunächst nur die Wasserundurchlässigkeit des Asphalts bewiesen. Einzug in das Baugewerbe hält das Material dennoch nicht, so wenig überzeugt seine Verwendung in diesem Bereich.

Noch mehr als ein Jahrhundert sollte vergehen, bis ein Schweizer Graf sämtliche Asphaltvorkommen in seiner Umgebung aufkauft - dazu gehören die neu entdeckten Asphaltabbau-Anlagen südlich von Genf, später auch die Gruben des Val de Travers. Er versteht es, aus Naturasphalt, Erdpech und Flußsand, die er auf ca.160° erhitzen läßt, einen Belag herzustellen, der zunächst den Place de la Concorde in Paris überzieht, dann die Kaiserpalast-Terrasse von St. Petersburg und danach die Plätze und Trottoirs vieler anderer Städte.

Als Straßendecke jedoch wird Asphalt erst um 1860 von einem Basler Ingenieur nach eingehenden Beobachtungen entdeckt. Er sieht, wie Pferdewagen aus den Asphaltgruben in der Sommerhitze zu Staub zerfallende Gesteinsbrocken verlieren und achtlos darüber fahren. Mit der Zeit bildet sich eine Asphaltdecke an den Gruben-Ausfahrten, auf der die Pferde ihre Lasten immer schneller und leichter abtransportieren können. Aus diesen Zufalls-Trassen leitet der Ingenieur die Idee der heutigen Asphalt-Straße ab.

Bis dahin hatte aufgewirbelter Makadam-Schotter in den großen Städten Menschen, Häuser und Vorgärten mit einer dichten, lästigen Staubschicht bedeckt. Jetzt atmete alles auf, als geteerte Straßen das neue Stadtbild prägen. Die zeitgenössische Straße ist also nur knapp 130 Jahre alt, und doch hat sich der Einsatz von Straßenpechen so bewährt, daß nichts mehr unasphaltiert bleibt, was befahrbar oder zugänglich sein soll. Natürliche Asphaltgesteins-Vorkommen hätten einem Raubbau dieser Größenordnung niemals standgehalten, hätten nicht die Amerikaner Ende des 19. Jahrhunderts durch die Destillation von Erdöl einen Stoff von hoher Viskosität erfunden: Bitumen. Durchbläst man ein Bitumengemisch mit Luft, so oxydiert es zu einem alterungsbeständigen Straßenbelag, der kaum zerstörbar scheint, wie ásphaltos schon im antiken Griechenland verheißt.

Dieser Hang zum Hermetischen, zur Ausdauer macht die Verwendung von Asphalt so unabdingbar für die Verkehrsgesellschaft dieses Jahrhunderts. Wie lästig allerdings ehemals der Staub des Straßenschotters war, so engmaschig spannt sich das zeitgenössische Asphalt-Netz der Strassen, so schwierig erscheint heute in den Städten der Zugang zu offener Erde.

Wir nutzen nun unsere imaginäre Chance, die gesprengte Asphaltdecke auf dem Wienerplatz als Beginn einer fiktiven Gartenanlage zu sehen und den Vorhaben in der Baugrube auf unseren Bildern eine andere Richtung zu geben. Wir tun das mit der Gewißheit, daß unsere bildnerischen Lösungen - auch lange nach der realen baulichen Veränderung des Platzes - noch ihre eigene Wirkung zeitigen werden.