CAP - COMPUTER AIDED PAINTING IN "DER DRITTEN KAMMER"
(Künstlerbuch, Salon-Verlag, Köln, 2000)


Susanne Leeb im Gespräch mit Bittermann & Duka

Susanne Leeb: Ihr beschäftigt Euch mit Landschaftsgestaltung und utopischen Gärten, ein Großprojekt, das unter dem Titel „Die Dritte Kammer“ firmiert. Eure Vorschläge für Gärten präsentiert Ihr als Wandtableaus, wobei Ihr auf einer farblich definierten Wandfläche verschiedenste Bildsorten anordnet, die eine Idee umkreisen: Malerei, Embleme, Storyboards, Dia-Projektionen. Welche Rolle für Eure Arbeit spielt der Computer als Hypermedium mit seiner Vernetzungsstruktur?

Bittermann & Duka: Die Wandtableaus sind beeinflußt vom Aufbau von Computerspielen und dem Muster von CD-Roms. Dieses Sich-Reinklicken in ein Thema, das bei uns auf der Fläche inszeniert wird, ist sowohl eine Klärungsstrategie als auch ein Spielangebot. Man kann sich vor der Wandfläche bewegen, und es gibt keine lineare narrative Struktur, sondern nur verschiedene Visualisierungsstufen, die untereinander verknüpft sind. Dabei spielt die Möglichkeit der Anordnung auf dem Desktop auch für die Produktion eine Rolle. Die ganze Wandmalerei ist am Rechner entworfen. Die Farben werden in einer computergesteuerten Farb-Misch-Station gemischt und sind über Tabellen aufeinander abgestimmt. Dadurch kann man sehr präzise arbeiten und die verschiedenen Elemente genau zueinander in Bezug setzen.

Susanne Leeb: Wenn es um die Vorstellung eines Gartenprojektes geht, könntet Ihr theoretisch ja auch innerhalb des virtuellen Raumes bleiben, CD-Roms machen. Was ist der Gewinn der Umsetzung computergenerierter Vorlagen in Wandtableaus?

Bittermann & Duka: Das ist einerseits der Körperbezug. Das Reingehen in ein Bild wie in einen Garten läßt sich auf den Wandtableaus, die auch wie Gartenpläne aufgebaut sein können, anschaulich realisieren. Andererseits handelt es sich mit der malerischen Umsetzung nicht mehr um Virtualität, aber auch nicht um ein Modell, das für seine Umsetzung wirbt, wie bei Architekturausschreibungen beispielsweise. Die Tableaus stehen für sich. Zwar sind die Gärten nicht existent, aber das Bild als Objekt ist real. Durch die Malerei werden die dargestellten Gärten für uns so in einem Möglichkeitszustand gehalten, der sich zwischen Spiel, Fiktion und Realität bewegt.

Susanne Leeb: Ihr benutzt zudem seit einiger Zeit das Programm "Bryce“ zur Generierung von virtuellen Landschaften. Die Prints nehmt Ihr dann als Vorlage für Eure Malerei. Was hat für Euch dieses Programm attraktiv gemacht und was hat sich für Euch hinsichtlich der Bildproduktion verändert?

Bittermann & Duka: Da seit einigen Jahren die Bildgenerierung im Rechner immer ausgefeilter wird und bei aller Virtualität fast fotorealistische Qualität erreicht, zudem die Benutzeroberflächen mit ihren Reglern und Knöpfen fast so aussehen, als ob sie analog wären, kommen wir schneller und einfacher zu Ergebnissen. Auch ergeben sich aus einem Spiel heraus durch Zufall Konstellationen, die anders als im Rechner gar nicht herstellbar wären. Solche zufälligen Effekte müssen dann wieder inhaltlich eingebunden werden in einen bestimmten Zusammenhang, was bei uns die Beschäftigung mit dem Garten und das Projekt „Der Dritten Kammer“ garantieren.

Susanne Leeb: Macht aber nicht gerade diese Fülle an Bildmöglichkeiten die Entscheidungsprozesse schwieriger? Was ist Euer Kriterium für das beste Bild?

Bittermann & Duka: Entscheidend ist zunächst unser zuvor festgelegtes Konzept, welche Art Garten oder Landschaft gewählt wird, ob wir einen fiktiven oder einen real existierenden Ort umsetzen wollen. Sobald das klar ist und wir am Rechner sitzen, ist es dann weitgehend ein intuitives Vorgehen. Mit dem Screen haben wir den Rahmen, durch den wir auf eine virtuell gebaute Landschaft schauen. Wir können dann mit der virtuellen Kamera durch diese Landschaft fahren und entscheiden, welches der beste Blickwinkel für ein Rendering ist. Das ist kaum etwas anderes als bei den Malern des 18. Jahrhunderts, die durch einen Claude-Spiegel geschaut haben, oder bei einem Fotografen der Sucher. Zudem hat man ja Seherfahrungen durch Naturbetrachtung gesammelt, kennt die Geschichte der Landschaftsmalerei, hat überhaupt eine große Bilderfahrung, die bei der Bildschirmarbeit natürlich immer miteinfließt.

Susanne Leeb: Somit basiert die Entscheidung für den optimalen Blickwinkel auf Wahrnehmungskonventionen, die gerade nicht vom Computer beeinflußt, sondern an älterer Landschaftsmalerei geschult sind. Aber es gibt bei Euch einen Rückkopplungseffekt vom Computer zur Landschaftsmalerei. Die Illusion eines dreidimensionalen Raumes ist ja nicht gerade ein Element, das in der Malerei des 20. Jahrhunderts eine große Rolle spielte und spielt, mit wenigen Ausnahmen. Über die 3D-Programme führt Ihr in die Malerei wieder einen Bildraum ein, dem man, anders als etwa bei den Fotorealisten, den Medientransfer nicht ansieht. Wie verträgt sich das?

Bittermann & Duka: Die digitale Konstruktion von Bildräumen soll in erster Linie die visuelle Glaubwürdigkeit der Bildfindungen erhöhen. Die Landschaften, die wir erzeugen, sind ja teilweise Montagen, in die wir andere Elemente, wie zum Beispiel utopische Architekturen oder Idealvorstellungen von Orten integrieren. Wir können mit dem Landschaftsgenerator importierte Objekte der 3D-Landschaft anpassen, dieselben Lichtverhältnisse simulieren, sie in die gewünschte Atmosphäre einbetten, so daß unsere Bilder in sich kohärent werden. Diese Form von Glaubhaftigkeit oder Illusionismus ist insofern wichtig, da wir ja Landschaften oder Gärten malen, die teilweise zwar gebaut werden könnten, aber im Moment eben nur als Bilder existieren. Um den Betrachter von der Möglichkeit dieser Gärten zu überzeugen, sind für uns bildrhetorische Aspekte, die die Simulation bietet, wichtig. Wir benutzen also durchaus diese Wahrnehmungskonventionen, die durch die Malerei der Vormoderne, aber auch durch die Fotografie entstanden sind, es geht uns aber weniger darum, mit diesen Konventionen zu brechen, als darum, sie für uns als Darstellungshilfen arbeiten zu lassen.

Susanne Leeb: Wie sehr haltet Ihr Euch an die Vorlage, und inwieweit entwickelt Ihr die Bilder aus den der Malerei inhärenten Möglichkeiten?

Bittermann & Duka: Das hängt vom jeweiligen Bild ab. Aber immer handelt es sich um eine malerische Interpretation der Vorlage. Bestimmte Strukturen sind eben nur mit Ölfarbe und Pinsel möglich. Ein Computerausdruck mag auf den ersten Blick verblüffen. Aber ganz schnell wird das stereotyp, und man bewegt sich innerhalb vorgegebener Muster. Mit der Malerei kann man das übersteigen, da hier stilistische Variationen und deren gezieltes Einsetzen möglich sind. Und auch die Farben sind beim Computer begrenzt. Drei Grundfarben, aus denen die Rechnerfarben zusammengesetzt werden, sind einfach recht wenig, wenn man an das Farbspektrum der Malerei gewöhnt ist.

Susanne Leeb: Obwohl man mit "Bryce“ recht futuristische Bilder erstellen kann und auch Eure Gärten theoretisch irgendwann gebaut werden könnten oder auch werden, habe ich angesichts Eurer Bilder eher den Eindruck einer vergangenen Zukunft. Woher kommt das?

Bittermann & Duka: Das kommt möglicherweise aus unserer Beschäftigung mit vielen Arten von Zukunftsvisionen, auch historischen. Uns interessiert generell das Driften vom Unmöglichen zum Möglichen, dieser Zwischenraum oder Übergang. Jules Vernes mechanistische Mondkapsel ist dabei ebenso im Blickfeld wie die Architektur-Visionen eines Bruno Taut oder wie das Space-Design der 60iger Jahre, dem viele der behaupteten technologischen Möglichkeiten unter der futuristischen Hülle fehlten. Konkret für die Malerei und den Aspekt des Gartens fanden wir eine andere Art von Zukunftsvision bei Hubert Robert, einem Maler und Gartenarchitekt des 18. Jahrhunderts. Er hat den damals noch nicht umgebauten Louvre so gemalt, daß die von ihm angestrebte Neueinführung des Oberlichtes anschaulich wurde; daneben hat er den Louvre als Ruine antizipiert. Mit dieser vormodernen Tradition der Malerei beschäftigen wir uns - gerade wenn sie den Garten zum Thema hat. Wir zitieren diese Stile, um bewußt bestimmte Stimmungsbilder zu erzeugen. Allerdings haben wir kein nostalgisches Verhältnis zu dieser Tradition, sondern ein eher forschendes. Das "Pittoreske“ zum Beispiel, das aus der Geschichte des Gartens nicht wegzudenken ist, ist von der Kitschindustrie völlig vereinnahmt worden. Es findet sich auch in Computerspielen. Wenn etwa Lara Croft durch einen wild wuchernden Dschungel oder durch Verließe und Ruinen rennt, dann sind diese rechnergenerierten Welten Versatzstücke jener vormodernen Malerei. Indem wir versuchen, solche Elemente für unsere Malerei im Sinne eines "computer aided painting“ wieder fruchtbar zu machen, spielen wir eher mit aktuellen Bildvorstellungen als mit vergangenen Formen.