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DIE DRITTE KAMMER - ÜBERWINDUNG DER KENNTNIS
Das Projizieren möglicher zukünftiger Ereignisse auf Bildflächen ist eine Vorgehensweise in "Der Dritten Kammer" zur Entwicklung eines vieldimensionalen Anschauungsapparats. Von der Zweidimensionalität des Bildes über die Dreidimensionalität der Modelle und Rauminstallationen, die auch den Garten miteinbeziehen, erweitert sich das Gesamtkonzept hin zur Vierdimensionalität durch das Wachsen der Pflanzen in der Zeit.
Science Fictions und Comics sind populäre zeitgenössische Projektionsfelder für kulturelle oder politische Visionen, in denen utopische Welterfindungen zum Ausdruck kommen. In dem folgenden Entwurf ersteht eine utopische Zukunftsvision, in der wir uns an dem phantastischen Zug dieser naiven Weltmodelle angelehnt haben, ohne den Anspruch zu erheben, einen geschlossenen Plot zu liefern:
Menschwerdung bedeutet: Distanz schaffen zur Natur. Die Utopie eines "allumfassenden Gartens" wäre die Rückkehr zu einem Paradies, das nie eines war. Das biblische Bild der Unschuld meint nichts anderes, als die Zeit vor dem bewußten Schlag mit dem Knochen oder dem Wurf mit dem Stein, in der Absicht zu töten oder zu verteidigen. Diese Zeit war eine Phase von dunkler Bewußtlosigkeit und von vollkommener Grazie der Bewegungen aller Lebewesen. Die Instinkte wurden zu festgesetzter Zeit abgerufen, kein Spielraum für Entscheidungen blieb. So bestand das Paradies einzig aus dieser Unfähigkeit zur Wahl. Erst mit dem Einsetzen einer bewußten Distanzierung zur alles bestimmenden Natur mit Hilfe von Werkzeugen, begann der Frevel der Wahl und war die "Vertreibung" perfekt. Und die Vertreibung schreitet weiter voran. Die Technologisierung ist ein so gnadenloser Quantensprung in Sachen "Distanz zur Natur", daß alles ökologische Renaturieren einer netten Vertuschung gleichkommt.
Wenden wir uns einer fernen Zukunft zu: Wir sehen den Menschen durch die Jahrhunderte nach und nach von den Maschinen, die er erschuf, ersetzt. Die Euphorie der "Cyborgs" - die sich immer mehr aus Implantaten und Prothesen zusammensetzen, bis sie schlußendlich ganz die menschliche Körpersubstanz verlieren - diese Euphorie über den technologischen Fortschritt verwirbelt sich im Rauschen eines unendlichen Datenraumes.
In unseren Bildern visieren wir die Utopie eines "allumfassenden Gartens" an, indem wir einen ganz anderen Quantensprung antizipieren: die Einsichtsfähigkeit einer nachmenschlichen Spezies in die Notwendigkeit einer Versöhnung mit der Natur. Wir zeigen eine Spezies, die durch einen elementaren Erkenntnisprozeß hindurchgegangen ist. Sie kann es sich aufgrund von Erfahrungen mit dem Gelingen einer fruchtbaren Beziehung mit der Natur leisten, eine vollkommene Synthese von hohem Intellekt mit einem zur vollkommenen Grazie zurückführenden Instinkt zu leben. Diese Spezies ist befreit von der uns noch spaltenden Körper-Geist-Dichotomie. Der Einzelne dieser Spezies hat sowohl inwendig ausgelotet, wo seine Verbindung mit der Natur eines selbstverständlichen Vertrauens bedarf, als auch außerhalb seines Körpers Kooperationsfähigkeit mit der Natur gelernt. Er ist von Anfang an im Zustand der Unschuld und bleibt es durch seine verschiedenen Existenzen hindurch.
Dieser Spezies haben wir den Namen "Cytonauten" gegeben. Sie sind Reisende durch den Mikrokosmos unserer utopischen Ansätze und werden im Laufe ihrer Entwicklung zum Sprachrohr für die Antizipation "unmöglicher" Welten. Sie sind die Verkörperung des absoluten Gärtners. Die Cytonauten hatten die Chance, "zum zweiten Male vom Baume der Erkenntnis zu essen" und somit die Verschmelzung von Körper und Geist zu erleben, die sie befähigt, den Planeten wieder als "allumfassenden Garten" zu gestalten und zu bewohnen.
Sie nutzen das ehedem als Distanzmittel zur Natur verwendete Werkzeug, das in der Zwischenzeit die technologische Entwicklung unserer Tage bei Weitem übertroffen hat, als ein Medium, versöhnliche Nähe zur Natur herzustellen. Auf Raumgleitern, die Meteoriten nicht unähnlich sehen, schweben die Cytonauten über den Planeten. Ihre Beziehung zu seinen Erscheinungsformen ist eher kontemplativ als pragmatisch-funktional. Die Beobachtungsflüge dienen dem Staunen.
Diese neue Gattung ist von vollkommener Schönheit. Die Trennung vom Ursprung wird nicht mehr empfunden. Das Prinzip der Dualität ist schon von Anfang an aufgehoben. Es ist als eine überholte Seinsweise erkannt. So leben die Cytonauten in geistiger Freiheit und körperlich-seelischer Unverletzbarkeit. Ihr Blick fällt aus einem denkenden und einem liebenden Auge gleichermaßen auf das Leben. |