Aus dem Florilegium von Rolandswerth:
acer pseudoplatanus aegopodium podagraria
DIE DRITTE KAMMER – DIE VOLLENDETE SPECULATION FUEHRT ZUR NATUR ZURUECK (1)
Der Brachland Bestellende: Hintergründe zu dem Novaliszitat*

Der Garten als Integrationsmodell

Wie "Grün" im klassischen Farbenkreis eine vermittelnde (und keine primäre) Rolle spielen kann, so ist die Suche nach Ausgleich, nach Versöhnung von Gegensätzen historisch gesehen die Essenz eines frühromantischen Zuges, der auch unser Werk durchzieht. So haben wir uns entschieden, den Hentzenpark in Rolandswerth zur Projektionsfläche für eine essentielle Aussage gegen "die Verdunkelung der Idee der Ganzheit" zu machen. Mit dem Satz aus Novalis' "Allgemeinem Brouillon" von 1798: "Die vollendete Speculation führt zur Natur zurück" ergreifen wir einen Aphorismus, der als Denkfigur dem Park neben seinen historisch vielschichtigen Bedeutungskategorien ein übergeordnetes Prinzip zuweist. Der Satz wird in drei Teile geteilt: Der erste Teil "Die vollendete Speculation" - Speculation mit "c" geschrieben heißt hier = das reine Denken jenseits von Erfahrung, der reine Erkenntnisprozess, Wissenschaft, aber auch Philosophie - wird zum Schriftzug auf dem neuen Haupttor, das nun durch diese Worte hindurch zum Betreten des Parks einlädt. Der zweite Teil des Satzes "führt" ist in das Bild eines Pflanzen-Turmes implantiert und läßt sich nur durch die die Buchstaben überwuchernden Pflanzen hindurch von oben nach unten auf der rückwärtigen (dem Besucher abgewandten) Seite lesen. Von der Pflege des Gärtners hängt ab, wie lesbar das Wort "führt" gehalten wird. Das Gleichgewicht zwischen Kultur (= Architektur des Wortturms) und Natur (= Pflanzen als künstlerisches Material, die selbständig Formen erzeugen) ist hier entscheidend und der Gärtner wird zum Mittler zwischen diesen beiden Welten. Zuletzt steht der dritte Teil des Satzes "zur Natur zurück" in Spiegelschrift auf dem Gitter über dem rückwärtigen Aufgang, der rekonstruiert werden soll, sodass der Text nur von außerhalb des Parks, vom Leinpfad und Campingplatz aus, zu lesen sein wird und den Park damit gedanklich umfaßt.


*(frei nach Silvio Vietta, Reclam, Leipzig, 1995)