Peter Arlt/Bittermann & Duka/Ifau/

TARNEN & TÄUSCHEN -
Operative Analyse/Getarnte Aktion/Angetaeuschte Bildbilanz

Beitrag zum Workshop "Politische Landschaft"
im Museum für Angewandte Kunst in Köln vom 22.-29. 9. 2000


Angetäuschte Bildbilanz (Bittermann & Duka)

... Die Grenze zwischen Kunst und Leben aufzulösen, ist einer der stärksten Impulse, die seit einiger Zeit das Gesicht der Kunstszene prägen. Und doch ist der Kunstkontext immer noch das alles stützende Rückgrat, das die sich ans Leben angleichende Kunst im Zustand der "Tarnung" hält. Die Malerei allerdings gilt als statisches Medium, dessen Fähigkeit, soziale Dynamiken oder politische Handlungen sichtbar werden zu lassen, begrenzt erscheint. Die Möglichkeit, diesen Widerspruch innerhalb der Malerei in einer besonderen Form zu bearbeiten, bietet sich im Kontext des Workshops "Politische Landschaft" über die Einführung der Achse "Aktion - Darstellung". Auf ihr läßt sich das Spannungsfeld zwischen "politischem Handeln" und dem Gegenwärtigmachen von Erfahrenem, Konstruiertem und Gefundenem in der Malerei ausloten. Auf dieser Achse bildet sich ein Spielfeld, auf dem der Trick des "Antäuschens" zur Metapher für einen spielerischen Wechsel zwischen Ortsbegehungen, sozialen Begegnungen und malereiimmanenten Entscheidungen wird.

In der letzten Phase des Workshops entstand nun ein großes Gemeinschaftsbild, das die Ergebnisse der "Operativen Analyse" und der "Getarnten Aktion" dem malerischen Prozess anverwandelte. Ausgangspunkt dieses mehrteiligen Tableaus war die spielerische Entwicklung einer Zeichensprache, die sich ebenfalls aus einem gemeinschaftlichen Bildfindungsprozess ergab. Die Methode dieser Bildfindung basierte auf einem altbekannten, simplen Trick, um kreative Potentiale anzuzapfen: der automatischen Zeichnung. In Zweiergruppen aufgeteilt war jeder Teilnehmer aufgefordert, einmal die Geschichte seiner Wahrnehmung der "Getarnten Aktion" zu erzählen und einmal die Geschichte des anderen schnell und ohne auf Stil und Form zu achten aufzuzeichnen. Die Mittel waren ebenso simpel wie die Methode, nur Notizzettel und Marker waren zur Hand. Aus einer Unzahl von Zetteln wurden von allen Beteiligten die vierundzwanzig beliebte?sten Zeichen ausgewählt. Projiziert und vergrößert mit schwarzer Farbe auf Leinwände kopiert, ergab sich aus dieser "Schattensprache" innerhalb kurzer Zeit das angestrebte vielteilige Gemeinschaftsbild. Angetäuscht wurde also in mehrfachen Spielwechseln und die Eindeutigkeit einer Urheberschaft ist keineswegs mehr auszumachen.

Das Abschreiten der Achse "Aktion - Darstellung" erzeugte in diesem Zusammenhang eine bildnerische Lösung, die ihren zunächst implizierten Werkcharakter verlor, da dieses Werk niemandem zugeschrieben werden kann und damit anonym wurde. Dem Prozesshaften seiner Entstehung muß somit ein stärkeres Gewicht zugewiesen werden als dem realen Tableau an der Wand des Museums. Im Kontext eines weiter gefaßten malereiimmanenten Denkansatzes führt uns diese bildnerische Lösung daher zu der Erkenntnis, daß trashige Spontanmethoden nicht nur anonymer Ausdruck der Dokumentation einer "Getarnten Aktion" sein können, die u.a. die Einführung eines "dritten Tempos" in den "repolitisierten Zwischenraum" - den sogenannten "slow space" - thematisiert. Diese Methoden können vielmehr zukünftig auch als neue Werkzeuge auf andere Orte und Situationen angewendet werden, die nicht nur aneignend, sondern auch beobachtend wahrgenommen werden und deren Darstellung letztendlich den "slow space" in doppelter Weise reflektiert: zum einen den Ort selbst als einen "Ort in der Schwebe" und zum anderen die Malerei als den grundsätzlichen und eigentlichen "Ort in der Schwebe", der immer schon ein "slow space" war.